Die Diözese Graz-Seckau, 1218 gegründet, umfasst 388 Pfarren. Diözesanbischof ist seit 2015 Wilhelm Krautwaschl. Mehr zur Diözese
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Ich bin dankbar für die Einladung zu dieser Jahrestagung der Konferenz der Österreichischen Erwachsenenbildung – kurz KEBÖ - und für die Möglichkeit, ein paar Worte zu einem heutzutage so wichtigen Thema sprechen zu dürfen. „Demokratie lernen“ – dieser Titel hat mich sofort angesprochen. Demokratie ist doch selbstverständlich, könnte man sofort sagen. Und doch – wir alle erleben, was für ein zartes Pflänzchen die Demokratie ist.
Ich bin der tiefen Überzeugung, dass wir Demokratie nicht als selbstverständlich betrachten dürfen. Jede Demokratie ist lebendig, ändert sich in die eine oder andere Richtung. Wir wissen um die Grundwerte unserer Demokratie. Wir wissen aber auch, wie schnell es gehen kann, dass ihre zentralen Werte hinterfragt werden. Der Weg vom Wert zum Unwert ist oft ein sehr kurzer.
Dies gilt es, wach wahrzunehmen und die richtigen Schlüsse zu ziehen. Gleich Winston Churchill, der meinte, dass von allen schlechten Regierungsformen die Demokratie die beste sei, denke ich, dass wir um eine Demokratie nicht herumkommen, dass wir nicht darum herumkommen, uns stets bewusst zu machen, was Demokratie bedeutet und wie sie funktioniert.
Demokratie bedeutet, dass man eine Wahl hat. Dass man seine Meinung sagen darf. Dass man viele Freiheiten hat innerhalb eines rechtlichen Rahmens, der unsere Gesellschaft zusammenhält. Zur Demokratie gehört das Hinhören, die Diskussion, der Austausch, Kompromiss und auch Konsens. Alles kann auch mit jenem Begriff verbunden werden, der in unsere Kirche derzeit als Lebensgestalt einzupflanzen versucht wird: „synodal“ sozusagen. Dies ist wertvoller Lebensstil für alle in der Gesellschaft und wird durch Kurse in den Einrichtungen der Erwachsenenbildung als sinnvoll und hilfreich weitergegeben.
Denn in der Erwachsenenbildung wird ein sensibler Umgang mit der Sprache, mit Sprachbildern und mit der Wirkung von Worten vermittelt. Das Bildungsministerium setzt seit zwei Jahren einen Schwerpunkt im Bereich Demokratiebildung. Meines Erachtens ist das ein guter und richtiger Schritt. Schön ist auch, dass etliche Persönlichkeiten aus den unterschiedlichen Parteien die Verbände der Erwachsenenbildung mitgestalten und mitprägen. Doch wie fast überall gibt es auch bei dieser guten und wichtigen Kultur in unserem Lande die berühmte Luft nach oben.
Wir alle haben die Verantwortung, uns in Diskussionen und Prozesse - auch der Politik - einzubringen. Teilnahmslosigkeit und Desinteresse sind ganz schlechte Ratgeber. Noch schlechter ist, sich ständig rauszuhalten, vielleicht nicht mal wählen zu gehen. Leider ist das ein weit verbreitetes Phänomen in unserer zum überwiegenden Teil mehr als satten Gesellschaft. Ich durfte unlängst österreichische Hilfsprojekte in Ruanda und Burundi besuchen. Dort habe ich den Hunger erlebt – nicht nach Nahrung, sondern nach Beteiligung, nach Teilhabe, nach Selbstbestimmtheit, nach Wahlfreiheit und nach Möglichkeiten. Nach den hohen demokratischen Gütern, deren Wert bei uns immer seltener geschätzt wird.
Papst Franziskus hat im Herbst 2019 den „Globalen Bildungspakt“ ins Leben gerufen. Dieser Pakt soll Initiativen verbinden und Menschen bilden, damit sie besser in der Lage sind, Spaltungen und Gegensätze zu überwinden. Der Papst spricht dabei von der Notwendigkeit einer offenen und integrativen Bildung. Er spricht von der Fähigkeit, zuzuhören und in konstruktiven Dialogen das gegenseitige Verständnis zu fördern. „Jede Veränderung“, so der Papst, „braucht einen Bildungsprozess, der alle einbezieht. Aus diesem Grund ist es notwendig, eine Bildungsgemeinschaft als ein ´Dorf der Bildung´ zu errichten.“ (Papst Franziskus im Vorwort „Globaler Bildungspakt, Vademecum Deutsch, 12.9.2019.“)
Dieses Dorf könnte die Erwachsenenbildung sein, deren Ziel es ist, Wege für ein proaktives und zuversichtliches Handeln zu öffnen.
Papst Franziskus spricht weiter von der Notwendigkeit einer Bildung, die nicht unter den „statistischen Bedingungen“ versandet. (Vgl. ebd.). In seinem Bildungspakt nennt er sieben Engagement-Felder:
1. Die Person in den Mittelpunkt stellen,
2. den jungen Generationen zuhören,
3. Frauen zu fördern,
4. Verantwortungsbewusstsein gegenüber Familien zu schaffen,
5. für eine Willkommenskultur offen sein,
6. Wirtschaft und Politik erneuern und
7. das gemeinsame Haus hüten.
Das Dokument enthält Denkanstöße, Werte und konkrete Vorschläge für das Tun. Für das heutige Tagungsthema ist sicherlich das Engagement-Feld 6 – Wirtschaft und Politik erneuern – besonders interessant.
Hier spricht Franziskus, um den meines Erachtens zentralsten Punkt herauszugreifen, von einem „Sozialpakt“ (vgl. Vademecum Globaler Bildungspakt S. 15), nach dem jede und jeder bereit sein solle, „etwas für das Gemeinwohl aufzugeben“. (Vgl. ebd. S. 15.)
Demokratie und Gemeinwohl – diese zwei Themen gehören untrennbar zusammen. Demokratie verlangt nach Engagement, Gemeinwohl ebenso. Beides schreit nach dem Teilen. Teilen von Macht, von Wissen, von Wohlstand. Wohlstand ist bei uns reichlich vorhanden und wird auch gerne geteilt in Österreich. Die Spenden- und Hilfsbereitschaft ist Gott sei Dank hoch bei uns.
Ich denke: gelebte Demokratie macht unser Völkchen zu einem Gutteil aus - sie gehört zu unserer DNA - so wie das. was wir glauben nennen. Ich denke, dass wir uns um unsere Demokratie laufend kümmern müssen – wie um unseren Glauben. Demokratie lernen und Glauben lernen – für mich geht das Hand in Hand, lebt doch unser Glaube von der Freiheit, von der Selbstbestimmtheit und Gleichheit aller Menschen, geborgen in einer höheren Ordnung, die wir eben Gott nennen. Auch hier können wir wählen, ob wir das gut finden. Auch das ist Demokratie.
Lassen Sie mich langsam zum Schluss kommen: Wir brauchen das ständige Demokratie-Lernen in der Politik, in den Kommunen, im Zusammenleben in Gesellschaft und in unserem alltäglichen Denken und Handeln als Menschen. Es geht um das Wir, um das Funktionieren unserer Gesellschaft, in der jede und jeder einen guten Platz haben soll. Wissen, Lernen und Weiterbildung sind Grundlagen für dieses Funktionieren. Dafür braucht es gute Programme und starke Institutionen und Verbände in der Bildung – für Junge und Erwachsene. Ich bin dankbar, dass die heute hier versammelten Verbände hochwertige Bildungsprogramme anbieten; im Sinne eines lebensbegleitenden Lernens für alle Menschen in unserem Land.
Ich bin dankbar, dass es bei uns diese Form einer gemeinnützigen Erwachsenenbildung gibt. Beachtlich ist, dass bereits Anfang der 70er Jahre dafür eine gesetzliche Grundlage geschaffen wurde.
Als für die Erwachsenenbildung zuständiger Referatsbischof der Österreichischen Bischofskonferenz setzte ich mich nach Kräften für die Bildungsarbeit in unserer Kirche ein. Gott sei Dank gilt in der Kirche – und hoffentlich auch in unserer Gesellschaft – das Wort, dass der Geist weht, wo er will.
Ich bin überzeugt: Hier und heute will er wehen.
Ich wünsche Ihnen eine fruchtbringende, segensreiche Tagung. Alles Gute!
Pressemeldung zur KEBÖ-Konferenz
Dokumentation der Konferenz auf der Homepage des Forums katholische Erwachsenenbildung