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Mit dem apostolischen Schreiben "Querida Amazonia" (Geliebtes Amazonien) ermutigt Papst Franziskus die ganze Kirche und speziell die Kirche in Amazonien, das, was bei der Amazonien-Synode erarbeitet und gewachsen ist, weiter reifen zu lassen. Das hat Kardinal Christoph Schönborn am Mittwoch in einer ersten Reaktion zum päpstlichen Schreiben im "Kathpress"-Interview betont. Der Papst gehe mit dem Schreiben einen neuen, überraschenden Weg: "Er stellt das Schlussdokument der Amazonien-Synode ganz in die Mitte und gibt ihm ein starkes Gewicht, indem er es selber offiziell präsentieren möchte."
"Querida Amazonia" sei ein "grundsätzliches Ja des Papstes zu den Ergebnissen der Amazonien-Synode, ohne gleich diese Ergebnisse in konkrete Maßnahmen umzusetzen". Aber das Schlussdokument sei von Franziskus mit einem starken Gewicht versehen und habe damit einen Status, den Synodendokumente bisher so nicht hatten, erläuterte der Vorsitzende der Österreichischen Bischofskonferenz, der an der Sondersynode im vergangene Oktober im Vatikan teilgenommen hatte.
Beeindruckend sei zudem die Bemerkung des Papstes, dass weder er selbst noch die vatikanische Kurie jene Kenntnis von Amazonien hätten, die bei den Synodenteilnehmern - mehr als 90 Prozent stammten aus Amazonien - vorhanden sei. Das bedeute: "Franziskus zeigt Respekt vor der Ortskirche, es ist eine Ermutigung, die Ortskirchen ernst zu nehmen."
"Im Blick auf mögliche Ausweitungen der Ausnahmeregelungen zum Zölibat hat die Amazoniensynode eine Tür geöffnet, der Papst hat sie offensichtlich nicht wieder geschlossen", so Schönborn weiter. Papst Franziskus biete jedenfalls in seinem Schreiben keine simplen Lösungen an, so der Kardinal. Die Erfahrung der Synode hat freilich auch ihm - Schönborn - gezeigt, "wie richtig es ist, wenn der Papst nicht Schwarz-Weiß Entscheidungen trifft". Darüber würden manche wohl enttäuscht sein, die sich klares Ja oder Nein zu Ausnahmeregelungen erwartet hätten, räumte der Kardinal ein.
Der Papst spreche nicht ausdrücklich über Ausnahmen vom Zölibat, sondern er hebe die Frage auf eine höhere Ebene und erinnere an einige Eckpunkte, die bisher zu wenig im Blick waren: Erstens die scheinbar fehlende lateinamerikanische Solidarität mit den Bedürfnissen Amazoniens bei der Entsendung von Priestern, zweitens die nicht vorhandenen Ständigen Diakone und drittens den fehlenden indigenen Klerus in Amazonien.
Schönborn: "Wir haben in Amazonien einen großen Priestermangel. Wie kommt es, dass gleichzeitig so viele Priester ins Ausland gehen und nicht in ihren Herkunftsländern bleiben?" In Amazonien gebe es auch keine Ständigen Diakone und damit bewährte verheiratete Männer, die im sakramentalen kirchlichen Dienst stehen "und aus denen eventuell auch da und dort Priester erwählt und geweiht werden könnten". Schließlich frage der Papst in einer Fußnote, weshalb Amazonien nach 500 Jahren Christentum noch immer keinen einheimischen Klerus habe, ganz im Gegensatz etwa zu Afrika und Teilen Asiens.
Papst Franziskus ziele hinsichtlich der Eucharistie als Zentrum und Höhepunkt des kirchlichen Lebens nicht nur auf die Frage des Klerus ab, sondern stelle genauso die Notwendigkeit lebendiger Gemeinden in den Mittelpunkt seiner Überlegungen. Er unterstreiche die Bedeutung der Laiendienste für die Gemeinden; besonders spreche er über die Bedeutung der Frauen für die Gemeinden und darüber, dass Dienste von Frauen auch einen offizielleren Status bekommen können bis hin zur Leitung von Gemeinden. Das sei eine deutliche Ermutigung. Weiheämter für Frauen hingegen, etwa als Diakoninnen, lehnt der Papst in seinem postsynodalen Schreiben vorerst ab.
Franziskus sage auch, dass die katholische Kirche vor Ort mit den Freikirchen die Zusammenarbeit suchen müsse, auch wenn er diese Kirchen nicht direkt anspreche. Er sehe darin aber jedenfalls keinen Konflikt sondern vielmehr die "Chance des Zusammenwirkens, um dem Evangelium mehr Raum zu geben".
Kardinal Schönborn skizzierte im "Kathpress"-Interview den Duktus des Dokuments. Papst Franziskus fasse seine zentralen Aussagen in vier Träumen zusammen: "Zuerst ist da der soziale Traum, der Traum der Gerechtigkeit für die Menschen in Amazonien, besonders für die indigenen Völker." Dann der Traum der Inkulturation, "dass das Evangelium in das Leben der rund 110 indigenen Völker eingewebt und eingefügt werden kann, dass es ein intensives Bemühen darum gibt".
Drittens gehe es um den ökologische Traum, wenn der Papst die gewaltige Sorge um die Zukunft Amazoniens und die Bedeutung dieses Gebiets für die gesamte Welt anspricht. Im vierten Traum gehe es schließlich um eine "Seelsorge, die den Menschen nahe ist".
Abschließend ein optimistischer Blick des Kardinals in die Zukunft: "Mir gefällt, dass Papst Franziskus am Schluss seines Schreibens das Wort 'desborde', zu deutsch in etwa 'Überlaufen', gebraucht. Dahinter steht das Bild einer Art Brunnenschale, die sich allmählich füllt und aus einer Fülle heraus überläuft. Franziskus vertraut darauf, dass in diesem synodalen Prozess, der ja weitergeht, die lebendigen Quellen zum Fließen kommen und sich praktische Lösungen ergeben werden, auch in der Hoffnungen auf die Wirksamkeit des Heiligen Geistes."
Für Bischof Wilhelm Krautwaschl ist das päpstliche Schreiben darüber hinaus Aufforderung, entsprechend den heute vorhandenen Möglichkeiten kreativ zu werden in der Ausgestaltung der Formen kirchlichen Lebens, die der Verkündigung zu dienen haben. "Das Dokument ist eben eine Aufforderung, die Sendungsperspektive der Kirche verstärkt in den Mittelpunkt zu stellen. Wir sind für die Menschen da und nicht für uns selbst“, sagt der Diözesanbischof von Graz-Seckau. Ein Befund, den der Ethikprofessor Leopold Neuhold unlängst beim Theotag 2020 an der Katholisch-Theologischen Fakultät betonte.
Dies wird auch durch das Aufgreifen des vierfachen „Umdenkens“, das die Synode formulierte, durch die „vier Träume“ des Papstes deutlich: soziologisch, kulturell, ökologisch, kirchlich gilt es, Kirche weiter zu entwickeln. Was für Amazonien in der Synode erfolgt ist, habe der Papst der ganzen Kirche vorgelegt.
"Die mit großer Spannung erwarteten Entscheidungen zu Spezialfragen im weiten Feld der Kirchenentwicklung bleiben vage", bedauert Erich Hohl vom Leitungsstab des Ressorts Seelsorge und Gesellschaft der Katholischen Kirche Steiermark. So setzt Papst Franziskus neuerlich stark auf das Engagement der Laien. Für die Behebung des Priestermangels gibt er in „Querida Amazonia“ jedoch keine deutlich erkennbare Lösung in Richtung viri probati vor, schließt aber eine solche Maßnahme zu einem anderen Zeitpunkt aber auch nicht aus. Hohl: "Damit wird die offene Diskussion weiter gehen müssen."
Das päpstliche Schreiben biete also keine einfachen Lösungen, so Bischof Wilhelm weiter, sondern viel zum gemeinsamen Nachdenken - in der Bischofskonferenz genauso wie in den diözesanen Gremien. Dass das Schreiben „Querida Amazonia“ am 2. Februar vom Papst unterschrieben wurde, also am Tag der Darstellung des Herrn (Maria Lichtmess), der Tag, an dem Jesus im Tempel „öffentlich“ gezeigt wurde, macht den innersten Auftrag der Kirche deutlich, der Welt Christus zu zeigen, und verdeutlicht die Intention unseres Papstes.
Das 50-seitige apostolische Dokument "Geliebtes Amazonien" wurde von Papst Franziskus am 2. Februar (Darstellung des Herrn) signiert und am 12. Februar 2020 veröffentlich. Hier gibt es Querida Amazonie zum Download.
Bei der Amazonas-Synode vom 6. bis 27. Oktober 2019 diskutierten rund 280 Bischöfe der Amazonasregion, Vertreter kontinentaler Bischofskonferenzen sowie der Römischen Kurie, Indigene und hinzugeladene Fachleute im Vatikan über aktuelle Herausforderungen im Amazonasgebiet.