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Im Blick auf das Neue Testament: Über welche Änderungen freuen Sie sich besonders?
Die Revision war zweifellos notwendig und überfällig. Und sie scheint beim ersten Hinsehen auch einigermaßen gelungen. Soviel lässt sich jetzt schon sagen.
Im NT greife ich als erstes zu Hebr 5,7, wo nun (wieder) zu lesen ist: "... und er ist erhört worden aufgrund seiner Gottesfurcht". Der prominente Lesungstext des Karfreitags war in der Endfassung der EÜ doch zu weit abgeschweift: "... und er ist erhört und aus seiner Angst befreit worden". Kein Text der Antike hatte seinen Helden so flehentlich bitten, schreien und weinen lassen, wie die vom Hebräerbrief aufgenommene Tradition. Doch bestand seine Erhörung nicht in der Befreiung von der Angst (da würden ziemlich fragwürdige Versprechen gemacht), sondern darin, dass er in seiner Gottesfurcht (!) auch die schwerste Glaubensprüfung zutiefst menschlich und dennoch würdig bestehen konnte.
Eingeleitet wird dieser Vers nach der Revision mit: "Er hat in den Tagen seines irdischen Lebens...", wo die EÜ bisher las: "Als er auf Erden lebte...". Der Urtext heißt jedoch genauer: "Welcher in den Tagen seines Fleisches...".
Womit ein erstes Problem auftaucht. Die EÜ tat sich mit der biblischen Rede vom Fleisch sehr schwer und versuchte sie möglichst umgangssprachlich wiederzugeben, ließ aber den ursprünglichen Stil kaum mehr erahnen. Sie ersetzte z.B. in 2 Kor 5,16: "dem Fleisch nach" durch: "nach menschlichen Maßstäben". Die Revision hat sich wieder dem Urtext angenähert, ebenso in Gal 4,23, wo die EÜ las: "Der Sohn der Sklavin wurde auf natürliche Weise gezeugt". In Joh 17,2 jedoch steht für "alles Fleisch" weiterhin: "alle Menschen". Angesichts fortschreitender Erkenntnisse in Tierethik und Ökologie ist diese anthropozentrische Verengung heute jedoch problematischer als vor 40 Jahren
Was überrascht Sie an dieser revidierten Übersetzung?
Das eindeutig Positive zuerst: Es betrifft gar nicht unmittelbar das NT, sondern die Psalmen, wo ich meinen persönlichen Favoriten (wie 23 oder 91) in der neuen Fassung etliches mehr abgewinnen kann als bisher. Kompliment und Dankeschön!
Die von der EÜ forcierte Alltagssprache erwies sich manchmal auch als Bumerang: Da "saß" plötzlich ein Mann in der Synagoge (Lk 4,33; 6,6), eine unnötige Verdeutlichung, die nur Fragen aufwarf: Sitzt man dort bzw. wer darf wann sitzen? Z.B. steht Jesus zur Schriftlesung auf und setzt sich zur Lehre (Lk 4,16.20). Der Text sagt beide Male nur, dass ein Mann da "war", wie die Revision richtig wiedergibt. Der Mann "voller Aussatz" (Lk 5,12) hat nicht mehr "am ganzen Körper Aussatz", wie die EÜ konstatierte (als ob sie eine Körperbeschau angestrengt hätte).
Wenig Sensibilität zeigte die EÜ bei der Beschreibung der Emmausjünger, die "wie mit Blindheit geschlagen" waren (Lk 24,16). Jetzt heißt es text- und sachgerecht: "ihre Augen waren gehalten". Die (neuzeitliche?) "Tragbahre" (Lk 5,18) ist wieder ein "Bett", das einfache "Tuch" (Lk 19,20) eindeutig als "Schweißtuch" erkennbar.
Bei der Frau in der Synagoge konstatierte die EÜ: "Ihr Rücken (!) war verkrümmt und sie konnte nicht mehr aufrecht gehen" (Lk 13,11). Die Revision korrigiert: "Sie (d.h. die Frau als solche) war ganz verkrümmt", hält aber an der "orthopädischen" Diagnose der EÜ fest. Der Text allerdings hat anderes im Sinn und lautet (einigermaßen wörtlich): Die Frau "war sich zusammenbeugend und nicht könnend sich 'aufzubeugen' ganz bis zu Ende (zur Vollendung)", was ihre Not und auch die Heilung in ein neues Licht rückt. Es geht nicht um vordergründige "Rückenprobleme", sondern um ein sich verkrümmendes Mensch- und insbesondere Frausein. Und das ist immer noch ein hochexplosives Thema, auch und vor allem in der Kirche.
Ähnliches gilt auch für die Blindenheilungen, wenn das Jesajazitat von Lk 4,18 vom "Augenlicht" spricht, statt vom "Aufschauen". Blindheit bedeutet ja, speziell bei Jesaja und auf weite Strecken der Bibel, vor allem geistige Finsternis und zudem würde ein Semite einen organisch Blinden auch nie 'blind' nennen, sondern diesen Zustand sehr blumig und tiefsinnig zu umschreiben suchen. Was bedeutet: Die jesuanischen Heilungen sind nirgendwo auf einen modernen klinischen Befund einzugrenzen, sondern zielen auf ein (auch körperlich) spürbar verändertes Leben. Wir können die Welt, die anderen und uns selbst nicht richtig sehen und wertschätzen, wenn wir uns in uns selbst zusammenkrümmen. Nur sich aufrichtende Menschen können „aufrichtig“ sein und ohne Schuldgefühle hoffnungsvoll "aufschauen", wie der Erfolg der Blindenheilung (außer dem "Augen öffnen") original heißt
Was möchten Sie zum Schluss Leser_innen mitgeben?
Es wird also nicht die letzte Bibelrevision sein können. Doch auch wenn es einmal die beste Übersetzung aller Zeiten gäbe, wir dürften nie vergessen: Es ist der Geist, der lebendig macht, nicht die Buchstaben, und seien es goldene Lettern. Jesus wusste schon, wieso er nur "in die Erde geschrieben hat" (Joh 8,6).
Vielen Dank!
Peter Trummer, Jg. 41, lehrte Neues Testament an der Universität Graz. Schwerpunkte: Übersetzung, Heilungswunder, Eucharistie, Existenzfragen. Auch künstlerisch tätig (s. Osterbuch).
Für diesen Artikel gibt es eine Druckerlaubnis, sofern er vollständig veröffentlicht wird. Einen längeren Beitrag von Prof. Peter Trummer finden Sie hier auf der Homepage des Bibelwerkes Linz: https://www.dioezese-linz.at/site/bibelwerk/home/news/article/59935.html