Die Diözese Graz-Seckau, 1218 gegründet, umfasst 388 Pfarren. Diözesanbischof ist seit 2015 Wilhelm Krautwaschl. Mehr zur Diözese
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Die Rolle der steirischen Kirche in der Zeit des Zweiten Weltkriegs hatte viele Facetten. In den Märztagen des „Anschlusses“ 1938 wurden 63 steirische Priester verhaftet, darunter auch der Diözesanbischof Ferdinand Stanislaus Pawlikowski (1927-1953). Dieser war übrigens der einzige Oberhirte im deutschen Sprachraum, der von den Nationalsozialisten am 13. März 1938 für 24 Stunden inhaftiert wurde. Nur wenige Tage nach seiner Enthaftung unterzeichnete er die fatale „Feierliche Erklärung“ des österreichischen Episkopats vom 18. März 1938 in Wien, bei der „Volksabstimmung“ am 10. April mit Ja für den bereits vollzogenen „Anschluss“ zu stimmen. Dieser in den Kirchen Österreichs verlesene Text fand bei Klerus und Volk ein ambivalentes Echo: „Ein Teil der Bevölkerung fühlte sich wie vor den Kopf gestoßen, der andere sah sich in seiner Haltung bestätigt“, so Prof. Michaela Sohn-Kronthaler, Kirchenhistorikerin an der Theologischen Fakultät der Universität Graz.
Dem bisherigen Forschungsstand zufolge können rund 5% der Kleriker namentlich benannt werden, die sich in der Presse „Anschluss“-begeistert artikulierten oder offen mit dem Nationalsozialismus sympathisierten. Darunter waren sowohl hohe Würdenträger, so der aus Graz stammende Titularbischof Alois Hudal und Ordinariatskanzler Josef Steiner, Äbte und Theologieprofessoren, als auch Vertreter des niederen Klerus. Dem gegenüber wurde ein Viertel des steirischen Klerus von der NS-Diktatur wegen seines systemwidrigen Verhaltens oder seiner politischen Gegnerschaft bzw. Widerstandes verfolgt. Darunter sind Priester, die mit Schul-, Predigt- oder Kongruaverbot (Einstellung staatlicher Zuschüsse) oder mit Geldbußen belegt, verhaftet, verhört, angeklagt, „gauverwiesen“, eingesperrt oder gar ermordet wurden.
Schon in den Märztagen des Jahres 1938 begannen die Schikanen und Unterdrückungsmaßnahmen der Nationalsozialisten gegen das seelsorgliche und kirchliche Leben. Kirchliche Gebäude und Kapellen wurden konfisziert, profaniert, teilweise als Museen oder Magazine zweckentfremdet. An sieben Priestern aus dem Welt- und Ordensklerus, der in der Steiermark wirkte, vollstreckten die Nationalsozialisten das Todesurteil. Noch in den letzten Kriegsmonaten hatte die steirische Kirche mehrere Blutzeugen zu beklagen: Pfarrer Heinrich Dalla Rosa von St. Georgen bei Obdach wurde am 24. Jänner 1945 in Wien hingerichtet. Die beiden Franziskaner Kapistran Pieller und Angelus Steinwender wurden drei Wochen vor Kriegsende (15. April) in Stein an der Donau erschossen. Der Seckauer Benediktiner Athanasius Gerster war am 15. März 1945 im Gefängnis von Bayreuth verhungert.
Sohn-Kronthaler: „Zu einem Widerstand der Kirchenleitung gegenüber der nationalsozialistischen Diktatur oder zu einer Kritik am Herrschaftssystem kam es nicht; aus striktem Loyalitätsdenken gegenüber der staatlichen Obrigkeit oder aus Sorge um das Wohl ihrer Gläubigen. Auch gegen die Verfolgung und Ermordung der Juden wurde von ihr weder ein öffentlicher Protest erhoben noch wurden die schändlichen Akte antisemitischer Gewalt verurteilt. Die Ausnahme bildeten einzelne Kirchenmitglieder.“ Einzigartig und einmalig sei das Protestschreiben des Grazer Theologieprofessors Johannes Ude im ganzen ‚Dritten Reich‘. Mit großer Empörung, ohne Abwägen von Vor- und Nachteilen und unter Risiko seines Lebens hatte Ude in seinem Schreiben an Gauleiter Uiberreither die Verbrechen an den Jüdinnen und Juden in der Reichspogromnacht vom 9./10. November 1938 verurteilt, während Kirchenleitungen schwiegen, Menschenmassen passiv blieben und den schändlichen Ereignissen zusahen. Dabei hatte Ude in den Jahren zuvor mit dem Nationalsozialismus sympathisiert und für den ‚Anschluss‘ Österreichs im April 1938 an Deutschland geworben.
14 Priester aus der Steiermark wurden in Konzentrations- oder Arbeitslager deportiert, von ihnen überlebten elf. Schwer gezeichnet kehrten die Priester, die bis zur Befreiung von der NS-Diktatur in den Konzentrations- oder Arbeitslagern und Gefängnissen festgehalten worden waren, nach dem Kriegsende in ihre Heimat zurück. Manch einer der eingekerkerten Priester erlag in den Folgejahren den schweren Drangsalen eines Gefängnisaufenthaltes.
Wenige Wochen vor dem Weltkriegsende töteten russische Soldaten am 25. März die Steyler Missionsschwester Caeliane Klaminger aus Ponigl bei Weiz, nachdem sie vergewaltigt worden war, und am 21. April 1945 in Mistelbach den Salvatorianer Titus Helde, der in Graz studiert hatte. Die Novizin der Vorauer Schwestern Maria Margareta Krückl wurde wegen ihres Widerstandes gegen eine Vergewaltigung am Weißen Sonntag von Russen ermordet. „Bischof Pawlikowski forderte den russischen Militärkommandanten mehrmals eindringlich auf, den Vergewaltigungen ein Ende zu setzen“, so Sohn-Kronthaler, „Pfarrhöfe boten für die Gefährdeten einen sicheren Schutz.“
Der Bischof mahnte, die vielen Österreicher, „die für die Heimat ihr Leben hingeben mußten“, nicht zu vergessen. Ohne die nationalsozialistischen Machthaber direkt beim Namen zu nennen, erinnerte er an „sieben Jahre schwerster seelischer Prüfungen“. Die Rolle der Kirche interpretierte er als eine in jener Ära verfolgte: „Glaube und Kirche waren in diesen Jahren vielfacher Verleumdung, Entstellung und Verfolgung ausgesetzt“.
Die Kirchenhistorikerin Sohn-Kronthaler merkt an, dass eine Anerkennung vonseiten der Amtskirche noch ausstehe, um die Seelsorger für ihren Widerstand, ihre Zivilcourage und ihren Glaubensmut posthum zu würdigen. Gerade die katholische Kirche sollte auf die bleibende Bedeutung solcher „Lichtgestalten“ und „Mahner gegen die Gleichgültigkeit und gegen das Wegschauen“ und auf ihr Widerstandsverhalten hinweisen.
Aufmerksam bleiben sowie kritisch und mutig sein. – Das ist die Botschaft und Lehre, die für Bischof Wilhelm Krautwaschl erhalten bleiben muss: „Es ist eine Aufgabe der Kirche, sich um das Gute für die Menschheit zu sorgen und sich dafür einzusetzen, dass sich diese grausame Zeit nicht wiederholen kann und nicht vergessen wird“, sagt der Diözesanbischof. Wissend um die Gefahr dürfe man nie den Mut verlieren, gegen Ungerechtigkeit, für die Menschenrechte und für ein gutes Miteinander zu kämpfen, selbst, wenn das gefährlich sei und viel Courage erfordere. Die Seelsorger, die im 2. Weltkrieg ihr Leben für die Menschen ließen, seien ein Vorbild für das, was Christsein ausmacht – dort achtsam zu sein, wo Friede, Freiheit und Menschenwürde bedroht sind.
AutorInnen: Michaela Sohn-Kronthaler, Thomas Stanzer