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„Wir begegnen dem Geheimnis Gottes in der Liebe zu den Armen und Benachteiligten“, ist eine zentrale Aussage im Zukunftsbild der Katholischen Kirche Steiermark. Und gleichzeitig eine Herausforderung. Denn Armut ist kein schönes Thema, sagt Prof. Ursula Rapp bei Ihrem Vortrag am Bibeltag 2020 der Katholischen Kirche Steiermark in Seggau. Das war es in den frühen Tagen des Christentums, als asketische Mönche und Bettelorden begannen, sich für die Armen einzusetzen und sich caritative Tätigkeiten zu übernehmen. Doch ab dem 16. Jahrhundert sei Armut zur Bedrohung für die Gesellschaft geworden, so Rapp, weil immer mehr Menschen kaum genug zum Leben hatten. Hilfe gegen Armut und Bekämpfung der Armut sind heute politische Schlagwörter in einer Gesellschaft, die reich wie nie ist wo trotzdem die Verteilung des Reichtums immer ungleicher wird.
„Armut hat etwas Beängstigendes und Bedrohendes. Können wir Gott in der Begegnung mit Menschen neu erfahren, zu denen wir nicht gehören möchten?“, fragt die Theologin provokant ins Publikum und verweist auf Schicksalsschläge, die jede und jeden ereilen und aus der Bahn werfen können. Und spricht sodann die geistige Armut an die eigene Armut und die eigenen Schattenseiten.
Das Geheimnis Gottes sei ebenso schwierig zu fassen. „Gott hat sich mit seinem Namen und mit Jesus offenbart. Was bleibt da als Geheimnis?“, so Rapp. Und tut sodann ihre Vermutung kund: Das Geheimnis sei, damit zu leben, dass Gott nicht wirklich einschätzbar ist und ob und wann und wie sich Gottesbegegnungen abspielen werden.
In der Bibel sie das Thema Armut und Bedrängnis ein Dauerbrenner, meint die in an der Universität Luzern tätige Wissenschafterin, weil Armut im Volk Israel stets präsent war. In der frühen Zeit um 1000 v. Ch. habe man noch in sich selbst versorgenden Familienverbänden gelebt und Dtn 15,4 „eigentlich sollte es bei dir gar keine Armen geben“ war selbstverständlich. Doch ab der Königszeit änderte sich das. Es gab Abgaben, Dienerschaften, öffentliche Aufgaben. Die Familienverbände wurden erschüttert, Gemeinschaften aufgelöst. Mit der Fremdherrschaft kam Ausbeutung, Schuldsklaverei und Unterdrückung durch die Eroberer. Armut war stets massiv präsent und in Dtn 15,11 heißt es: „Die Armen werden niemals ganz aus deinem Land verschwinden.“ Dort heißt es aber auch „du sollst deinem armen Bruder, der in deinem Land lebt, deine Hand öffnen“. Die ältesten Gesetze definierten das gute, menschliche Zusammenleben und die gegenseitige Verantwortung.
Rapp verweist auf weitere Bibelstellen zum guten Umgang mit Armut. „Wer den Geringen bedrück, schmäht dessen Schöpfer“, heißt es bei Spr 14,31. Oder „selig, wer sich des Geringeren annimmt; zur Zeit des Unheils wird der Herr ihn retten“ im Ps 41,2.
Doch wer sind nun die Armen? Sind sie eine Randgruppe oder die Mehrheit der Bevölkerung? „Sind es RandaliererInnen, Aufständische, zu kurz Gekommene oder Parasiten, die selbst Schuld sind an ihrer Lage?“, fragt Rapp. Arme würden für die Besitzenden gefährlich, sobald sie das Maß der alltäglichen Belästigung übersteigen. Das war zur Zeit des Alten Testaments und des frühen Christentums eine latente Gefahr. In Ps 72 heißt es, arm seien sind jene, die nach Befreiung schreien, die hilflos, unterdrückt und von Gewalt betroffen seien und die Würde verloren hätten.
Zur Zeit des neuen Testaments habe es knapp zehn Prozent Reiche gegeben und fast 70 Prozent Arme. Das Alte und das Neue Testament unterscheiden Arme und „ganz Arme“. Während erstere genug Arbeit haben, um überleben zu können, geht es für Letztere, das waren fast 30 Prozent der Bevölkerung im 3. und 4. Jh. n. Chr., stets um die Existenz. Johannes Chrysostomus prangert im 4. Jh. die Großgrundbesitzer an, „die Arme gebrauchen und ausbeuten und aussaugen ohne Nachsicht“.
Auch zu Jesus Zeit war Armut allgegenwärtig. „Im neuen Testament ist fast nie von Speisen die Rede. Denn man denkt besser nicht an Essen, wenn man Hunger hat“, vermutet Rapp, das Volk sei eine unruhige Menschenmenge gewesen, dass sich vom Messias ein besseres Leben, eine Befreiung aus dem Elend erhoffte.
Die Bibel spricht auch die persönliche Armut an. In der späten Prophetie und den Psalmen ist immer wieder die Rede davon, dass man selbst arm und gering sei vor Gott. Persönliche statt sozialer Armut als Konfrontation mit den eigenen Schattenseiten. Rapp: „Die frohe Botschaft, das Evangelium öffnen sich für uns nur, wenn wir unsere Armut erkennen. In unserem Schmerz, im Ungeheilten, in der Armut eines banalen Lebens sehen wir uns nach Gott.“
In den Workshops ging es um den Seiltanz zwischen gegen die Armut kämpfen oder sie lieben, um Lieder über Armut, die bewegen, um Jesus und die Armen im Neuen und um Gerechtigkeit und Barmherzigkeit im Alten Testament. Das Ergebnis: Trotz der Allgegenwart der Armut in der Heiligen Schrift sind Bibeltexte keine Resignationstexte, sondern machen Mut und geben Hoffnung.
Einmal im Jahr findet der Bibeltag der Katholischen Kirche Steiermark statt. Diesmal ging es in Seggau um Armut und Not in der Bibel. Rund 70 Teilnehmende lauschten dem Vortrag von Prof. Ursula Rapp und diskutierten danach in vier Workshops.
Weitere Informationen dazu gibt es unter Bibeltag 2020.
Der nächste Bibeltag der Katholischen Kirche Steiermark wird am 27. Februar 2021 stattfinden.