Die Diözese Graz-Seckau, 1218 gegründet, umfasst 388 Pfarren. Diözesanbischof ist seit 2015 Wilhelm Krautwaschl. Mehr zur Diözese
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Da sind zwei Menschen, die seit meiner Geburt an mich glauben: meine Eltern. Ich habe Wurzeln, kann meinen Platz im Leben entfalten und Standfestigkeit in der Vielfältigkeit des Lebens gewinnen. Das gibt mir Sicherheit und Zuversicht. Ich komme nicht aus mir selbst, ich bin „Geschöpf“, geschaffen, geworden aus der Liebe meiner Eltern. Dieses Grundgefühl der Dankbarkeit, dass ich überhaupt da bin, dass ich leben darf und selbst weiter mitgestalten darf an der Welt, dieses Grundgefühl ist für mich der tiefste Sinn religiöser Erziehung. Es ist weiter das Vertrauen, dass es da jemanden gibt, nämlich Gott, der die Komplexität der Welt im Innersten zusammenhält. Es entlastet mich gegenüber allen Ansprüchen, die mir einreden wollen: Du bist Einzelkämpferin, musst und kannst dich ganz alleine zurechtfinden, alles selber schaffen. Du bist allein verantwortlich, du bist die Macherin. Es verbindet mich mit allen anderen Menschen und Geschöpfen, verbindet mich mit der ganzen Schöpfung, deren Teil ich bin. „Mich-verdanken“, mich meinen Eltern und mich Gott verdanken, sind der Schlüssel für mein Weltbild.
Eine Religion bietet in der Komplexität der Welt, in der unheimlichen Vielfalt der Angebote eine Orientierung und ein durchdachtes und durchlebtes Konzept der Welterklärung. Wir brauchen ein Koordinatensystem, in das wir unser Lebenskonzept hineinspannen können, sonst verlaufen wir uns in Unsicherheit, können uns nirgends festhalten. Das Hineingeboren Werden und Aufwachsen im Bezugssystem einer Religion ermöglicht erst eine kritische Auseinandersetzung mit ihren Inhalten und eine bewusste Entscheidung dafür oder dagegen. Auch unsere moralischen Vorstellungen brauchen eine Basis. Es macht einen Unterschied, ob wir an das absolut Gute glauben, ob es für alle gleich ist oder ob jeder das Beste für sich herausholen soll.
So wie wir ohne Freunde, Familie und Mitmenschen, die sich uns zuwenden, verloren und haltlos wären, so ist es auch ohne ein göttliches DU, ein Gegenüber, dem wir uns auch in der größten Verzweiflung anvertrauen können, sicher, die Höhen und Tiefen des menschlichen Lebens zu ertragen. Religion sucht auch Antworten, wenn wir scheitern, wenn wir nach Sinn und Halt fragen nach schweren Verlusten und großem Leid. Einer, der selber das Schwere mitträgt, Christus, der die Verzweiflung und die Schmerzen kennt, ist ein guter Begleiter durch die Zeit der Dunkelheit.
Unser Leben steht in der Spannung von Nehmen und Geben. Im christlichen Glauben verstehen wir uns als geschaffene Wesen, die ihr Leben Gott verdanken. Wir selbst sind schon Geschenk, Gabe. Und wir haben den Auftrag, gemeinsam diese Welt so zu gestalten, dass alle Lebewesen in Frieden miteinander auskommen können. Ein großer, scheinbar nicht bewältigbarer Auftrag. Den Schlüssel dafür sieht die christliche Religion im sogenannten „Gebot der Nächstenliebe“. Der, der neben mir lebt, die, die mir begegnet, meine Hilfe braucht, ist mein Nächster/meine Nächste. Ich bin eingeladen und aufgefordert, meinen Mitmenschen gegenüber Verantwortung zu übernehmen, ihnen das Notwendige zu geben. Hingabe ist unmodern, klingt verstaubt. Aber in der Familie, in unseren engsten Beziehungen, merken wir, dass ohne den Willen und die Bereitschaft, ein Stück von sich selber hinzugeben, Leben nicht gelingt. Liebe, die aufrechnet, hat keinen Bestand.
Entgegen allen Tendenzen, sich immer mehr in das Private zurückzuziehen, führt Religion durch ihr Feiern, die Rituale und Feste Menschen zusammen, öffnet sie füreinander, ermöglicht ihnen, in bestimmten Lebensbereichen und Interessensgebieten Netze zu knüpfen. Ein solches Netz ist im Christentum die Pfarre, die Menschen unterschiedlichster Bedürfnisse miteinander in Kontakt bringt und zum Austausch ihrer Fähigkeiten einlädt. Der gemeinsame Glaube und die Hoffnung auf ein gutes Zusammenleben tragen eine solche Gemeinschaft und dadurch jeden einzelnen wie eine große Familie.
Jede Religion fasst zentrale menschliche Erfahrungen zusammen, bringt sie auf den Punkt und gestaltet Höhepunkte als Beziehungsfest mit dem göttlichen Ursprung. Feste gliedern im Christentum wie auch in den anderen Religionen das Jahr. Symbole eröffnen tiefere Dimensionen des Menschseins: Das Licht im Advent, das Verzichten in der Fastenzeit. Gerade für junge Familien ist das gemeinsame Feiern eine große Chance, die Beziehung untereinander zu stärken, die Freude in der Familie zu pflegen, sich Zeit zu nehmen füreinander, miteinander mehr zu erleben als Pflicht und Alltag. Zahlreiche Anregungen, Publikationen und Schulungen dazu helfen, die eigene, passende Feierkultur für die Familie zu finden.
Wer Kinder hat, wird bald merken, dass wir um die Frage der religiösen Erziehung ohnehin nicht herumkommen. Kinder fragen früher oder später nach dem Woher und Wohin. Sie bohren tief und verlangen ehrliche, tragfähige Antworten. Deshalb bietet diese Lebensphase für uns Eltern eine große Chance, uns den großen Fragen des Lebens selber noch einmal zu stellen, unser Welterklärungsmodell noch einmal zu hinterfragen. Auch das Gottesbild wird hinterfragt: Gibt es für mich eigentlich einen Gott? Gibt es jemanden, an den ich mich wenden kann, wenn meine menschlichen Beziehungen versagen? Was trägt mein Leben abseits von Arbeit, Familie und Freunden? Was gibt mir letzten Halt? Wohin bin ich unterwegs? Es zahlt sich aus, diese Fragen zuzulassen und nach Antworten zu suchen, allein und mit unseren Kindern.
Mag. theol. Marlies Prettenthaler-Heckel, * 1971, Mutter von vier Kindern, ist Pastoralassistentin in Graz.