Das Megaphon wird 30

Aus dem Grazer Stadtbild und von vielen Supermärkten in der ganzen Steiermark sind sie nicht mehr wegzudenken: Die Verkäufer:innen des Megaphon mit ihren auffälligen Umhängetaschen und dem Stapel Magazine auf dem Arm. Im Oktober wird das Magazin 30 Jahre alt. Und es ist weit über eine Monatszeitschrift hinausgewachsen: Im Umkreis des Megaphon entstanden Bildungsprojekte und Sportaktivitäten, Beratungen und eine Reihe von Sonderprodukten vom Kalender bis zum Kochbuch. Das Team blickt nach 356 Ausgaben seit 1995 auf eine einzigartige Erfolgsgeschichte zurück, steht am Geburtstag aber auch vor großen Herausforderungen.

Menschenrechtspreis für Integration und Armutsbekämpfung

Menschen in prekären Lebenssituationen, die um den sozialen Aufstieg kämpfen, können mit dem Verkauf der Hefte ein kleines Einkommen erwirtschaften. Der Kontakt mit Kund:innen und Passant:innen hilft ihnen auch, Kontakte zu knüpfen und Dazugehörigkeit zu erfahren. Der kontinuierliche Einsatz des Megaphon für soziale Teilhabe und gegen Ausgrenzung wurde 2021 mit dem Menschenrechtspreis gewürdigt. Aktuell verkaufen rund 270 Menschen das Megaphon, ein großer Teil kommt aus Afrika. Bisher waren Menschen aus 14 Nationen als Verkäufer:in tätig.

Selbstständige Tätigkeit

Viele haben ihre Stammkund:innen, die Plauderei mit dem oder der Verkäufer:in gehört für so manche Leser:innen zum Einkauf. Die Verkäufer:innen erhalten im Megaphon-Büro eine Verkaufslizenz und es wird gemeinsam ein geeigneter Standort gesucht. Sie kaufen das Heft für 1,70 Euro und verkaufen es für 3,40 Euro weiter. Einer aus ihrer Mitte wurde gar zum Lebensretter einer Stammkundin, weil ihm auffiel, dass sie ihre Einkäufe nicht wie gewohnt tätigte, und er rechtzeitig Hilfe holte. Die Frau war zuhause gestürzt und konnte gerettet werden.

Offen, solidarisch, mitten im Alltag

Das Megaphon behandelt aber nicht nur im Magazin gesellschaftskritische Inhalte. Es steht als soziale Initiative auch für vielfältige weitere Aktivitäten, die Integration fördern, Armut bekämpfen und sich für eine offene, vielfältige Gesellschaft einsetzen: So hat das damals noch „junge“ Megaphon-Team die erste Fußballweltmeisterschaft der Obdachlosen in Graz ausgetragen, dessen Idee heute im jährlichen Homeless World Cup weiterlebt. Die von 2004 bis 2020 aktive Megaphon-Uni bot niederschwellig Vortragsreihen in universitären und Sozialeinrichtungen und wurde 2009 mit dem Menschenrechtspreis des Landes Steiermark ausgezeichnet.

Feiern trotz Kürzungen

Im 30. Jahr ist das Team des Megaphon nun mit Gegenwind konfrontiert. Die Sparmaßnahmen der steirischen Landesregierung betreffen auch dieses Projekt der Caritas Steiermark. 20.000 Euro fehlen, so Bernadette Bösch und Petra Kaspar-Buchegger für das Team: „Das trübt natürlich die Stimmung, aber wir lassen und nicht unterkriegen. Wir werden weiterhin mit Wort und Tat für alle Menschen einstehen“ Eine Einladung des Markts der Zukunft ermöglicht trotz Finanzkrise das Feiern im öffentlichen Raum am Mariahilfer Platz: Mit Poetry-Slam und Lieblingskolumnen-Lesung, mit einer „Living Library“, in der Wegbegleiter:innen erzählen und einem Stadtspaziergang bis hin zur Podiumsdiskussion über Demokratie und Meinungsfreiheit im Volkskundemuseum. Das Fest richtet sich an alle und ist bei freiem Eintritt zugänglich.