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Aufgrund der Corona-Pandemie wurde die Predigt gekürzt und auf Einleitung und Homilie aufgeteilt.
1. Es sind vermutlich nicht wenige unter uns, für die sich Erinnerungen und Gedanken an einen Menschen, mit dem sie freundschaftlich, verwandtschaftlich, beruflich oder als Priester brüderlich verbunden waren, auch mit einer Frage verbindet: WARUM? Warum so früh? Warum so schmerzlich herausgerissen aus einem Leben im aktiven Dienst für andere Menschen? Warum schon jetzt, wo doch noch so viel vor ihm lag? – Eine Frage, mit der der Krankenhausseelsorger Bernd Oberndorfer, der so viele Menschen und deren Angehörige in ihren letzten Stunden begleitet hat, oft konfrontiert war und sie auch in seinen Texten und Predigten für sich und andere reflektiert hat. „Es gibt Momente, an die man sich auch in der Routine und im Alltag der Krankenhausseelsorge nicht gewöhnt“, hat er in einem Predigttext geschrieben. Dazu gehörte für ihn u. a. die Begegnung mit Eltern, die ein Kind verloren haben: „Da wird sich auch Gott viele Fragen gefallen lassen müssen. Ein Kind entsteht auf wundersame Weise, um gleich wieder zu sterben? Weißt du darauf eine Antwort, Gott?“, fasst er seine Gedanken zusammen. Er lässt keine Antwort folgen, weitet aber einen Horizont, in den hinein eine Frage formuliert werden kann. Mit dieser Suchbewegung, an der er uns Anteil nehmen lässt, erfahren wir viel über den Seelsorger Bernd Oberndorfer: Er war einer, der nicht schon mit der Antwort wartete, bevor die Frage zu Ende formuliert war, sondern, der zuhören konnte, sich Zeit nahm, mit sehr viel Feingefühl auf schwierige Situationen reagieren und auch aushalten konnte. Gleichzeitig war er einer, der immer mehr aus der lebendigen Beziehung zu einem persönlichen Gott, einem lebendigen Du, dem er auch seine Fragen stellen konnte, gelebt hat. „Das Leben geht weiter? Ein Kind ist gestorben, kann die Welt einfach weitergehen, kann die Sonne wieder scheinen?“, fragte er sich auf dem Weg durchs Krankenhausareal nachdem vor Sonnenaufgang die Segensfeier für ein zu früh und tot geborenes Kind auf der Neonatologie-Station stattgefunden hatte, und danach der ganz normale Alltag im Krankenhaus begann. Ich darf Pfarrer Oberndorfer, der versucht hat sein Tun auch in intellektueller Redlichkeit zu reflektieren, in meiner Predigt noch selbst ein paar Mal zu Wort kommen lassen um uns mit dem, was ihm wichtig war, an ihn zu erinnern.
2. Wir haben gerade die Perikope aus dem fünfzehnten Kapitel des Johannesevangeliums – das Gleichnis vom Weinstock und den Reben – gehört. Bernd Oberndorfer hatte es für seine Primizmesse gewählt. Immer wieder hat er sich später in Predigten nicht nur an Jahrestagen seiner Priesterweihe darauf bezogen. „Pater meus agricole est“ – „Mein Vater ist der Winzer“ (Joh 15,1) steht auf seinem Primizkelch. Bernd Oberndorfer hat sich lange Zeit gelassen für seinen Weg zur Priesterweihe im Priesterseminar, nicht nur weil er neben der Theologie auch Medizin studiert und sich auch für viele andere Themenfelder interessiert hat. Zum Priester mit Leib und Seele, als den wir ihn in Erinnerung behalten werden, ist er dann im Priestersein, im konkreten Tun, im hingebungsvollen Vollzug geworden: nach der Zeit als Diakon in der Grazer Dom- und Grabenpfarre, als Kaplan in Leoben-Donawitz und Leoben-Waasen und dann vor allem in der Zeit als Pfarrer für das Grazer Landeskrankenhaus und Verantwortlicher für die Krankenhaus- und Pflegeheimpastoral. Das erzählen viele, die ihn gut gekannt haben. Und es erschließt sich auch aus den Texten, in denen er seine Arbeit reflektiert. Es war wohl seine hohe Empathiefähigkeit, die ihn in der konkreten Begegnung mit Menschen reifen ließ und ihm selbst wie den Menschen, denen er Seelsorger sein durfte, Tiefendimensionen erschloss, die seinen scharfen Intellekt beflügelten und erdeten. Auch er selbst hat diese Erfahrung sehr dankbar wahr- und angenommen. Der Ernstfall für die für sein Selbstverständnis so prägende Frage bei der Priesterweihe nach der Bereitschaft sich Tag für Tag enger an Christus zu binden, die das Bild von der Rebe am Weinstock zum Ausdruck bringt - die Nagelprobe des Priesterseins -, war sein Dienst am Sterbebett: „Immer wieder haben mich gerade junge Sterbende mit prüfenden Augen gefragt: Glauben Sie das wirklich? Glauben Sie, dass Gott mich liebt? So stark, dass ich mein Sterben aushalte? Ohne Bezug zu Christus wäre meine Antwort ein Betrug, ein erbärmliches Beschwichtigen“, sagt er in einer Predigt zu seinem Primizevangelium. Das hat er auch seinen Mitbrüdern im priesterlichen Dienst in einigen beeindruckenden Einkehr- und Studientagen als bleibenden Anspruch mitgegeben. Es wird uns in Erinnerung bleiben. Der ausgebildete Mediziner, der belesene und stets kritisch hinterfragende Theologe, der Medizin-Ethiker, der auf eigene Weiterbildung bedacht und auch in der Ausbildung anderer tätig war, wusste und übersetzte es authentisch in sein Tun, dass es dabei über allem Erlern- und Professionalisierbaren noch einmal um etwas anderes ging: „Mein Dienst, mein Amt ist Sakrament. Sakrament heißt: Ich empfange, was nicht aus mir kommt und was ich mir selbst nicht schaffen kann. Ich bin Träger dessen, was Gott mir anvertraut. Was unseren Dienst konstituiert, ist nicht das Produkt eigenen Wissens und eigener Leistung. Zumal kranke Menschen spüren ganz genau, ob wir bloß aus uns heraus reden und handeln, oder ob wir transparent sind für das Handeln Gottes.“
3. Diese Sichtbarmachung Gottes hat Bernd Oberndorfer in seinem Priestersein immer mehr zum Priester werden lassen. Priestersein bedeutete für ihn zutiefst, immer mehr zum Priester zu werden, hatte er sich anlässlich seiner Weihe doch das Wort des Apostels Paulus gewählt: „damit ich als Diener Jesu Christi wirke und das Evangelium Gottes wie ein Priester verwalte“ (Röm 15,16). In einer seiner Predigten nahm er die Frage „Für wen gehst du?“ aus einer Erzählung von Martin Buber auf und sagte: „nicht nur die kritische Frage, ob ich mir bewusst bin, für wen ich gehe, ob ich mir bewusst bin, dass nicht ich der Herr der Ernte bin, sondern auch die Frage: Können die Menschen, die uns begegnen spüren, für wen wir gehen?“ Ich meine, unser Verstorbener ist stetig tiefer hineingewachsen – ja, durch seine Krankheit hineingenommen worden – in diese tiefe Gemeinschaft mit dem lebendigen Gott, weil er selbst erfahren hat, wie Jesus war und ist: „In seinem bloßen Umgang mit den Menschen macht er sichtbar, wie Gott wirklich ist – so besorgt um den Menschen, so voll entgegenkommender Güte, von so unbeirrbarer Zuneigung, dass der Mensch vor diesem Gott nur noch staunen kann, überwältigt vom warmen Glanz der ein Menschenherz durchflutet, wenn er glaubend dem nachlauscht, was Jesus von Gott verkündet“. Diesen Gott zu bezeugen, erfahrbar zu machen, war die Gabe und das besondere Anliegen von Bernd Oberndorfer und dies ist ihm in vielen unterschiedlichen Begegnungen mit Menschen, aber auch in seiner Verantwortung für die steirische Mesnergemeinschaft sowie den Verband der Theresien- und Luisenschwestern möglich gewesen, in der Wertschätzung und besonderen Zuneigung zum Einzelnen und in der Wahrnehmung von Aufgaben für das Gesamt der Krankenhaus- und Pflegeheimseelsorge, wie für die Pfarre. Bernd Oberndorfer war davon beseelt, dass „wie in Jesus Gottes Antlitz aufleuchtete, so soll durch uns das Antlitz Jesu aufleuchten“. Im Wissen um die Liebe Gottes im Herzen und den Rückenwind des Heiligen Geistes hat er zum Christsein ermutigt, zu einem Leben aus dem Glauben herausgefordert und ruft uns auch heute zu: „«Geht», sagt Jesus, «geht ohne Geldbeutel und ohne Vorratstasche“» (vgl. Lk 10,3f)! Ihr braucht keine Ausrüstung, keine Rückversicherung, keine Schutzhüllen und keine Deckung. Ihr habt mich, ihr tragt den Schatz des Evangeliums in einem zerbrechlichen Gefäß, in den kleinen Taten der Liebe, in manchmal so hilflosen und armen Gesten und Worten, die dann plötzlich doch einen Menschen stärken, trösten, heilen und in seinem Innersten anrühren. Geht nun!“ Diesen Aufruf hat er nicht nur anderen zugemutet, sondern sich selbst zugesprochen, weil er stets tiefer spürte, dass Glaube immer mit Aufbruch zu tun hat, Aufbruch zu Gott und Aufbruch zum Menschen. So konnten wir miterleben, wie unser Verstorbener mehr und mehr von Christus ergriffen und durchdrungen wurde, in ein immer tiefer werdendes Vertrauen sich eingewurzelt hat, immer mehr zum Kind Gottes geworden ist, gekennzeichnet von einem unerschütterlichen kindlichen Glauben.
4. Bernd Oberndorfer ist anderen gegenüber sehr offen mit seiner chronischen Erkrankung umgegangen - im übertragenen Sinn – vielleicht auch eine Übersetzung eines Kunstwerks, das ihn beeindruckte und auf das er schon vor der Auseinandersetzung mit seiner eigenen Erkrankung immer wieder im Blick auf seine Arbeit hingewiesen hatte: „Zeige deine Wunde“ hatte Josef Beuys seine berühmte Installation aus zwei Bahren aus der Pathologie in einer Münchner Fußgängerunterführung in den 1970er-Jahren genannt. Schockierend-heilsamer Fingerzeig, dass Verdrängung im persönlichen wie im öffentlichen Leben nur noch tiefere und schwerer heilbare Wunden erzeugt. Bernd Oberndorfer hat stets darauf hingewiesen, dass Krankheit, Pflegebedürftigkeit und Sterben nicht aus der öffentlichen Aufmerksamkeit verschwinden dürfen und hat durch sein intensives Engagement und seinen unermüdlichen Einsatz an der Verbesserung der Strukturen, der Vernetzung und Ausbildung in der Krankenhaus- und Pflegeheimseelsorge auch an deren zentraler Verortung innerhalb der pastoralen Aufgaben der Kirche gearbeitet. Dafür bin ich ihm als Bischof sehr dankbar. Es ist sein Verdienst, dass er die Krankenhausseelsorge in lebendigem Dialog und Austausch mit den Verantwortlichen der Krankenanstalten, der Medizinischen Universität und den Universitätskliniken und den Einrichtungen für das Pflegepersonal als Dienst nicht nur an den Kranken in den Spitälern, sondern auch den Pflegenden, den Angehörigen und dem medizinischen Personal weiterentwickelt hat. Auch den dafür Verantwortlichen in KAGES, Universitätsklinikum, der Sanitätsdirektion des Landes Steiermark mit ihren Bildungseinrichtungen, den Ethikkommissionen darf ich an dieser Stelle danken und im Sinn von Pfarrer Oberndorfer darum bitten, den eingeschlagenen Weg als sein Vermächtnis weiterhin gemeinsam zu beschreiten. Seelsorge ist in gewisser Weise in einem Krankenhaus, dem es in erster Linie um das physische wie psychische Überleben und Gesunden geht und gehen muss, auch ein „Störfaktor“. Daran darf gerade angesichts der Trauer um einen durch eine heimtückische Krankheit viel zu früh aus dem Leben Gerissenen erinnert werden: „Der Seelsorge kommt die Funktion zu, an die Grenzen des Machbaren, den Geschenkcharakter des Lebens, die Tragik und die Transzendenz menschlichen Könnens und Scheiterns zu erinnern. Daher sind Seelsorger immer auch „Störende“, die nicht einfach mit den Zielen des Gesundheitswesens zu identifizieren sind. Sie sind dadurch aber auch symbolisch „Entlastende“ für die Mitarbeitenden des Systems Krankenhaus mit seinen großen und oft unerreichbaren oder nur teilweise erreichbaren Zielen“, schreibt er dazu.
5. Aus dieser Perspektive hat Bernd Oberndorfer als Seelsorger gearbeitet und sein Leben gestaltet - wohl auch darum wissend und wie er selbst stets zu sagen pflegte: „Am Sterbebett kann man niemand etwas vormachen“. Vertrauen wir ihn mit dem Schmerz und der Trauer, die uns bewegen, vor allem aber auch mit Dankbarkeit dem an, dem er vertraut hat. Amen.
Die Schriftlesungen:
Lesung: Röm 15,1-6.13-14.16a;
Evangelium: Joh 15,1-6.13-14.16a