Die Diözese Graz-Seckau, 1218 gegründet, umfasst 388 Pfarren. Diözesanbischof ist seit 2015 Wilhelm Krautwaschl. Mehr zur Diözese
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Heiße Zeit – das heutige Thema ist ein vielschichtiges. Zwei Wörter, die das treffen, was unsere Welt und Umwelt durchmacht.
Jedem Menschen guten Willens muss es Sorgen machen, wenn sich einerseits in mehreren Teilen der Welt Konflikte zuspitzen – aufgeheizt durch politisch-strategische und wirtschaftlich-konkurrierende Maßnahmen. Anderseits treten Naturkatastrophen zunehmend bedrohend, ja zerstörerisch an den Tag. Verursacher und Betroffener ist der Mensch, wir alle. Damit stellt sich unweigerlich die Frage: Wie leben wir unsere (Mit)Verantwortung in der Gegenseitigkeit zwischen Welt und Umwelt, Mensch und Mensch, Mensch und Schöpfung?
Wenn die respektvolle und wertschätzende Gegenseitigkeit wackelt, dann wackelt auch das Gleichgewicht allen Lebens. Im Verlauf der Geschichte und getrieben vom Fortschritt scheint diese Gegenseitigkeit aus der Bahn geraten zu sein. Dennoch hat sie sowohl existenziell als auch denkgeschichtlich von jeher die geistige Aufmerksamkeit des Menschen auf sich gezogen.
Die Sorge um die Natur, um das Sichtbare und Unsichtbare, das in religiöser Sprache mit Schöpfung bezeichnet wird, ist in allen religiösen Überzeugungen existenziell. Eine flüchtige und exemplarische Erinnerung an manche Hauptmomente der Kulturgeschichte macht deutlich, wie sich der menschliche Geist aus dem Gegenseitigen von Natur und Mensch, von Mensch zu Mensch und von Mensch zum Ursprung allen Seins entwickelt hat und nach diesem Ursprung strebt – trotz unterschiedlicher sozialer, kultureller und religiöser Kontexte. Das bewusste Betrachten der Schöpfung führt zu einer unmittelbaren Beziehung zum innersten Wesen des Menschen. Gleichzeitig liegt diesem Betrachten eine wissenschaftliche und wirtschaftliche Strukturierung des Denkens und der dementsprechenden Lebensgestaltung zu Grunde.
Ich möchte an dieser Stelle kurz den Franziskaner-Philosophen Bonaventura aus dem 13. Jh.
(† 1274) erwähnen, der in der Physik des Aristoteles die respektvolle Begegnung und den Dialog mit Andersdenkenden und Andersgläubigen fand. Bonaventura betonte das menschlich Gemeinsame und Gegenseitige und zugleich das spezifisch Christliche: Für ihn ist die Natur ein offenes Buch über die Gegenwart des Schöpfergottes. Diese Gegenwart Gottes ist Grund und Verpflichtung für die verantwortungsvolle Beziehung der Menschen zu den Mitmenschen und zur Natur – also für gelebte Gegenseitigkeit.
Mit der Neuzeit und vor allem dem Aufkommen der Industrialisierung gerät besagte Gegenseitigkeit in den Hintergrund. Der Bezug des Menschen zur Erde, sein „Geerdet-Sein“, kommt abhanden. Dies passiert oftmals zu Gunsten des Profits, der von der Sorge um die Schöpfung losgelöst angestrebt wird. Die Folgen dieses Wechsels sind seit der ersten Hälfte des 20. Jhs. global spürbar. Verantwortungsloses Handeln scheint die bekannten Umweltkatastrophen herbeigerufen zu haben.
Das Gesagte darf aber nicht zum Anlass werden, die Schuld bei anderen zu suchen bzw. sie älteren Generationen in die Schuhe zu schieben, um uns der eigenen Verantwortung zu entziehen. Wir alle sind heute und jetzt verantwortlich, einen Weg aus der Klimakrise zu finden und unseren Beitrag zum Schutz der Schöpfung zu leisten. Mit dem Ziel, dass allen Menschen über Generationen hinweg eine positive Lebensführung möglich wird.
In diesem Sinne greift Papst Franziskus sowohl mit seiner Enzyklika „Laudato si`“ als auch mit der Amazonien-Synode auf den Lobpreis des hl. Franz von Assisi für die Schöpfung zurück. Er folgt Franziskus‘ Linie, um Kirche und Welt auf die persönliche und gemeinsame Verantwortung für und die Sorge um die Gegenseitigkeit aufmerksam zu machen: Mensch und Mitmensch, die Menschheit und die gesamte Schöpfung als ihr „gemeinsames Haus“.
Heiße Zeit – in diesem Zusammenhang lädt uns das Thema dieses Abends dringend zur Besinnung auf das Wesentliche ein, zur Forderung und Förderung des Wesentlichen: Der Mensch im Zentrum, aber eingebettet in die Schöpfung, in die Gegenseitigkeit, gebaut auf unser christliches Gottesbild.
Über das sozial, kulturell und religiös Unterscheidende hinaus ist es mein Wunsch als Bischof, und freilich auch mein persönlicher Wunsch, das Gegen-Einander zu beseitigen und dem Miteinander mehr Kraft und Stärke zu verleihen. Dadurch können wir nachhaltig wirksam sein und unserer Umwelt- und Schöpfungsverantwortung gegenüber kommenden Generationen gerecht werden.