Die Diözese Graz-Seckau, 1218 gegründet, umfasst 388 Pfarren. Diözesanbischof ist seit 2015 Wilhelm Krautwaschl. Mehr zur Diözese
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1. Schon des Öfteren habe ich mich zu einem vielleicht waghalsigen Gedanken bewegen lassen, den ich mit Ihnen am heutigen Nationalfeiertag teilen will: Weil es "die Anderen" gibt, wissen wir, dass wir Österreich sind und darin leben. So wie mein Ich daran wächst, dass ich als Kleinkind lerne, Vater und Mutter sind "andere", erfahren wir uns als Nationen durch unsere Grenzen und damit Verbindungen zu den anderen als Glieder ein- und desselben Staates. Deswegen sind Zeiten der Selbstvergewisserung wie eben der Feiertag einer Nation gleichsam auch Aufforderung, sich dessen neu bewusst zu werden, was uns Österreicher und Österreicherinnen ausmacht - gerade weil wir mit anderen leben und in dieser Wechselseitigkeit der Beziehung zu dem werden, was uns Identität stiftet. Und wieder anders ausgedrückt: Erst gelebte gegenseitige Liebe lässt Individuen mehr und mehr zu dem heranwachsen, was jede und jeder eigentlich vom Wesen her ist. Erst gelebtes Mit- und Füreinander von Völkern und Nationen lässt demnach Österreich mehr und mehr zu sich selbst kommen, bloß abgrenzende Definitionen verhindern Leben und Entfaltung.
2. Gerade deswegen möchte ich den heutigen Abend - mitten in der Zeit der Verhandlungen darüber, wer denn für dieses Ganze, das Österreich und somit unsere Heimat ist, mit all den Menschen Verantwortung übernimmt - als Besinnung verstehen, manches in Erinnerung zu rufen, das hilft, eine Denkweise zu überwinden, die eben nur sich und das Eigene im Blick hat, statt jenes lebendige Miteinander, das uns letztlich dazu verhilft, mehr und mehr "ganz" zu werden.[1]
a. Wir sind Österreich in dieser einen Welt, in diesem Europa. Wir nutzen wie selbstverständlich die Ressourcen dieser unserer Welt - über Gebühr - aus, die uns allen geschenkt sind, und zugleich erfahren wir uns angesichts dieser Welt und ihren Schrecknissen mitunter überfordert, sodass wir versucht sind, all das auszublenden und uns abzuschotten. Es ist aber meines Erachtens ein Zeichen für Schwäche, zu meinen, dass bestimmte Personen und Dinge innerlich von uns ferngehalten werden könnten. Nur dann, wenn wir das Andere und den bzw. die Andere erleben und in uns aufnehmen, nur dann, wenn wir lieben, werden wir die weit verbreitete Verunsicherung überwinden können, denn nur dann erfahren wir, dass wir leben und wer wir sind[2]!
b. Bauen wir gemeinsam in diesem Sinn und daher auch im Respekt voreinander an einer gemeinsamen Perspektive für die Zukunft. Es wird nicht anders gehen! Auseinandersetzungen, wie es sie verständlicher Weise ob unterschiedlicher Standpunkte und der damit verbundenen Blickwinkel Einzelner immer wieder geben wird und geben wird müssen, gilt es so zu pflegen, dass Achtung voreinander deutlich wird. Letztlich verlieren wir nur, wenn wir oder Einzelne meinen, den starken Mann, die starke Frau spielen zu müssen!
c. Mehr als 8 Millionen Menschen leben in unserem "vielgeliebten" Österreich. Und damit 8 Millionen mit je eigenen Lebenswegen und auch Glaubenswegen, gibt es doch bekanntlich - um mit Benedikt XVI. zu sprechen - so viele Wege zu Gott wie es Menschen gibt. Die Vielfalt macht reich. Sie als solche füreinander zur Chance werden zu lassen, ist Gabe und Aufgabe für alle in unserem Land. Je mehr wir uns alle auf der Suche nach der Wahrheit und damit Gott wissen und dies auch ehrlich einander zugestehen, wird es möglich sein, das Miteinander unterschiedlichster Menschen zum Segen werden zu lassen für alle!
d. Glaube, ganz allgemein gesprochen, meint "Hoffnung, dass das letzte Wort über mich noch nicht gesprochen ist". Lernen wir - neu - solchen Glauben, also Hoffnung und Vertrauen, indem wir ja zum Leben sagen und damit auch ja zur Kreativität und Innovationskraft der Menschen bei uns. Dort, wo ich mich in mich selbst verschließe, darf ich mich nicht wundern, dass Tod die Folge ist. Stärken wir mit allem, was uns möglich ist, Zukunftsperspektiven, wenn wir junge Menschen an- und ernstnehmen, denn mitunter spricht der Heilige Geist aus dem Jüngsten. Diese Weisheit hat schon einer gesagt, der an den Wurzeln dieses Europa steht, der hl. Mönchsvater und Europapatron Benedikt von Nursia. Stärken wir Zukunftsperspektiven, indem wir einen guten Ausgleich bei Themen wie Arbeit, Bildung, Gesundheit, Wohlstand und der Erhaltung des Lebensraums sowohl regional wie global finden wollen, wenn wir Regierungen für ein Gemeinwesen suchen[3]. Diese Hoffnungsperspektive vermag Sicherheit zu geben, die zur Entfaltung des Eigenen ersehnt wird.
e. Österreich wird von Menschen gebildet. Die Geschicke unseres Staates ist politischen Verantwortungsträgern anvertraut; diese aber sind Diener, Minister aller. Wir alle sind als Gesellschaft dazu herausgerufen, Österreich jene Seele und Spiritualität zu geben, die schon Jaques Delors für Europa als wichtig erachtet hat. Als Gläubige wissen wir uns gleich, weil wir um Gott wissen. Christen werden sich daher in die Gestaltung Österreichs einbringen, weil sie nicht anders können. Sie in geschützte Kirchenräume zurückdrängen zu wollen, ist fehl am Platz, weil eben es um Würde und nicht nur um Werte geht. Daher ist das Engagement der sogenannten Zivilgesellschaft für den Zusammenhalt und deren Einsatz für die Würde aller ernst zu nehmen.
f. Stehen wir zu uns und unseren Überzeugungen und bringen wir diese ein in den Diskurs untereinander, der eben nur dort möglich ist, wo wir aufeinander zugehen und nicht dort, wo wir zwar friedlich, aber bloß nebeneinander meinen, besser unterwegs zu sein.
3. Wir begehen unseren Nationalfeiertag im Marienmonat Oktober unserer Kirche, der heuer durch den außerordentlichen Monat der Weltmission wie auch die zu Ende gehende Amazonien-Synode geprägt ist: Wenn wir uns wirklich, wie wir es getan haben, jener großen Frau anvertrauen, die in Mariazell Jahr für Jahr Hunderttausende als "magna mater Austriae" anzieht, werden wir uns selbst mehr und mehr als solche erfahren, die das Miteinander in der einen Welt lebbar für Einzelne wie für alle gestaltet. Wenn wir am heutigen Feiertag uns selbst als Nation aufs Neue vergewissern, dann tun wir demnach gut daran, jenes Wort Jesu uns allen in Erinnerung zu rufen, das uns auffordert, den Nächsten so zu lieben wie uns selbst. Denn dieses Gebot steht nach Seinen Worten mit der Liebe zu Gott an erster Stelle.
[1] Ich tue das angeregt von Gedanken, die mir in der steirischen Pfarrerwoche vor einigen Wochen von der früheren Botschafterin Deutschlands beim Heiligen Stuhl, Anette Schavan, geschenkt wurden.
[2] vgl. Paulus 1Kor 9,22, aber auch Phil 2,5-11.
[3] vgl. kathpress-Meldung zu einem Interview von Diözesanbischof Benno Elbs: https://www.kathpress.at/goto/meldung/1816800/bischof-elbs-politik-soll-klima-des-respekts-im-land-foerdern (abgerufen am 21.10.2019)
Folgende Schriftlesungen wurden bei der Messfeier verkündet:
Lesung: Sir 35,15b-17.20-22a ;
Evangelium: Lk 18,9-14: