Das größte Geschenk
Mögen Sie Geschenke? - Vielleicht halten Sie diese Frage gerade heute für überflüssig, denn wer freut sich nicht über ein Geschenk? Ich schenke sehr gerne, und ich bekomme auch gern ein Geschenk, aber nicht so gern zu Weihnachten. Ich finde es schöner, jemanden unterm Jahr “mal einfach so” zu beschenken, und ich habe vor einigen Jahren mit dem Schenken zu Weihnachten aufgehört. Zum Einen ist es ein kleines, unbedeutendes Aufbegehren gegen die Kommerzialisierung von Weihnachten, zum Anderen versuche ich damit, mich auf das größte Geschenk einzulassen, das Gott uns in der Geburt Jesu macht, jedes Jahr auf’s Neue.
Doch ich gestehe, dass ich vielleicht ein wenig umdenken muss. Vor etwas mehr als einer Woche erreichte mich der Anruf einer Frau. Sie hatte einen Wunsch von dem Bäumchen der Pfarrcaritas mitgenommen, gemeinsam mit ihren Kindern das Geschenk besorgt – Schuhe für ein kleines Mädchen - dann hatten sie noch etwas Süßes dazugegeben und alles wunderschön und weihnachtlich verpackt. Als sie es wie vereinbart abgegeben wollten, standen sie vor verschlossenen Türen. Die Frau bemühte sich dann sehr darum, das Geschenk rechtzeitig gemeinsam mit ihren Kindern abzugeben, und so nahm ich es am letzten Freitag entgegen. Diese positive Hartnäckigkeit und die große Freude der Kinder haben mich berührt und beeindruckt.
Ich frage mich seither, ob Gott nicht auch bei mir immer wieder vor verschlossenen Türen steht. Ich erlebe in unserer Welt vieles, was meine Türen verschließt:
Die große Ungerechtigkeit in unserer Welt, die vielen Krisen und Katastrophen, Schicksalsschläge von Menschen, die mir nahe sind... Sie könnten die Liste wohl selbst weiterführen. Das alles macht es mir schwer, Gott wirklich bei mir einzulassen und ihm zu vertrauen. Menschlich betrachtet ist es manchmal zum Verzweifeln, aber gerade da kann der Glaube tragen, der Glaube an einen Gott, der sich klein macht und Mensch wird, der unter uns wohnt, der alles Menschliche mit uns teilt. “Der Glaube kommt vom Hören” sagt Paulus, und er kommt auch aus der Erfahrung, dass Gottes Wort so mächtig ist, dass es uns verändern kann. Gott schenkt uns dieses Wort, er selbst gibt sich uns in die Hand, er ist das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet.
“Gott ist wie Licht, keine Dunkelheit geht von ihm aus. Liebe ist wie Licht, jede Dunkelheit verändert sie ganz. Gott ist überall, wo Liebe das Leben durchdringt.” So lautet der Refrain eines neuen Lichthymnus, geschrieben von Erwin Löschberger und vertont von Wolfgang Reisinger. Vielleicht haben Sie es bei der Uraufführung vor 3 Wochen in unserer Kirche gehört.
Diese Zeilen geben mir Mut auf den Gott zu vertrauen, der überall dort spürbar und erfahrbar wird, wo Menschen Liebe schenken und erfahren. Damit sind die Probleme der Welt nicht gelöst, aber ich kann das Geschenk annehmen, das mein Leben zugleich reicher und leichter macht. Ich schließe mit einem Text von Bernhard Rathmer, der mir das Geheimnis von Weihnachten ein Stück erschließt:
Gott wird Mensch
unbemerkt
kein Engelsgesang,
keine großen Empfänge
keine Sondersendungen im Fernsehen
Gott wird Mensch
ganz einfach
in einem Stall
einer Krippe am Rande der Welt
ein Kind
klein hilflos ausgeliefert
Gott wird Mensch
mitten in den Strukturen unserer Welt
mitten hinein in Krieg und Ungerechtigkeit
den Bedrohungen so vieler Menschen ausgeliefert
Gott wird Mensch
er lebt
er leidet
er liebt
Amen.
(Bernhard Rathmer)