Bitten - ein Weg, um zu Gott zu finden
Wer kennt sie nicht die Diskussionen um die Bettler in unserer Stadt und selbst vor unserer Kirchtüre? Wir kennen diese Menschen vom Sehen, weil sie meist auf den gleichen Plätzen um Almosen betteln, aber kennen wir sie wirklich? Was wissen wir vom Schicksal dieser Menschen? Ehrlich gesagt, ich weiß gar nichts von diesen Menschen. Ich kann mir aber auch nicht vorstellen, dass es auch nur einem dieser Menschen Spaß macht, sich hinzustellen und um ein paar Cent oder Euro zu betteln. Das Betteln gilt bei uns als Erniedrigung, und zumeist werden diese Menschen auch als Belästigung empfunden.
Gerade auf diesem Hintergrund hören wir die Aufforderung zu bitten und zu betteln in den heutigen Schriftlesungen. Was können wir, die wir in einem angemessenen Wohlstand leben von diesen Bibelstellen lernen?
Da ist zunächst Abraham. Eine Erzählung über ihn, die ich sehr liebe. Es ist für mich wie eine Szene in einem orientalischen Bazar, z.B. in Kairo wo ich schon einmal sein durfte und wo ich dieses Feilschen miterleben durfte. Aber im Gegensatz zu meiner Bazar-Erfahrung, wo ich ein günstiges Souvenir erstehen wollte, geht es Abraham nicht um seinen persönlichen Vorteil, sondern er feilscht für andere. Er verhandelt mit Gott wie ein Händler. Noch dazu geht es in der Erzählung um die Menschen von Sodom und Gomorra – also um das Leben jener, die über ihn als gläubigen Juden lachen, also um das Leben seiner Feinde. Fast scheint es hier so, dass Abraham der Barmherzige ist und Gott der Hartherzige. In seiner Hartnäckigkeit handelt er von fünfzig Gerechte auf 10 Gerechte herunter und er erhält den Zuschlag von Gott, dass er um der zehn Gerechten willen die Stadt nicht zerstören wird. Den Ausgang der Geschichte kennen wir: Leider sind nicht einmal diese wenigen Gerechten zu finden, und Sodom und Gomorra werden zerstört, nur die wenigen Gerechten der Familie Lots werden gerettet.
Diese Möglichkeit, Gott oder auch andere Menschen um etwas zu bitten, ist in der Bibel etwas Selbstverständliches. So sagt Jesus im heutigen Evangelium: „Bittet, dann wird euch gegeben; sucht, dann werdet ihr finden; klopft an, dann wird euch geöffnet.“
Indem man bittet, gibt man zu, dass man nicht alles selbst schaffen kann. Und dies gilt sowohl den Mitmenschen gegenüber, als auch im Blick auf Gott. Wer einen anderen um etwas bittet, begibt sich in dessen Abhängigkeit: Dieser kann der Bitte entsprechen oder auch nicht. Man kann ausgelacht und verhöhnt werden – oder eben auch freudig überrascht sein über die Barmherzigkeit eines Menschen oder über jene, Gottes. Unsere Kinder bei der Sternsingeraktion machen Jahr für Jahr beide Erfahrungen. Aber haben Sie die strahlenden Kinderaugen schon einmal gesehen, wenn sie abends müde nach Hause kommen und ganz stolz sind über den gesammelten Betrag und über die gesammelten Erfahrungen? Auch heute werden wir angebettelt, hier in der Kirche von der MIVA. Die Missions-Verkehrs-Arbeitsgemeinschaft tut das seit mehr als 60 Jahren. Sie bittet uns darum, aus Dankbarkeit für Gottes Schutz im Verkehr einen Zehntel-Cent für jeden unfallfreien Kilometer zu spenden. Mit dem Geld werden Missionsfahrzeuge finanziert. Die Rechnung mit dem 10tel Cent ist einfacher als sie klingt, für jeweils 1.000 km bittet die MIVA uns um einen Euro.
In vielen Ländern der Erde sind die Notlagen zahlreich, in denen der fehlende Transport zur tödlichen Bedrohung wird: Ein Krankheitsfall, ein Unfall, ein Schlangenbiss, Wassermangel, Hungersnot … In all diesen Situationen kann ein Auto überlebensnotwendig sein. „Wer bittet, der empfängt …“ – Wie oft werden kirchliche Mitarbeiter in diesen Situationen um Hilfe gebeten. Wie notwendig ist es da, über ein Transportmittel zu verfügen!
Das Vaterunser, das Jesus seinen Jüngerinnen und Jüngern beibringt und das von Generation zu Generation auch uns weitergegeben wurde, stellt eine Zusammenfassung solcher Bitten dar. Und es sind ganz unterschiedliche Bitten: Die Bitte um das tägliche Brot – also darum, nicht zu hungern. Die Bitte um Vergebung von Schuld – also darum, dass bereits begangene Fehler vergeben werden. Die Bitte um die Bewahrung vor Versuchung – also der Schutz vor Möglichkeiten, sich schuldig zu machen.Wenn man aber genau hinschaut, dann findet man noch einige interessante Aspekte des Vaterunsers bei Lukas. So bitten die Jünger Jesus: „Herr, lehre uns beten!“ Damit bekennen sie: Wir können es eigentlich nicht. Jeder der Jünger kann natürlich seine jüdischen Gebete – aber das ist damit wohl nicht gemeint. Vielmehr geht es darum, von Jesus die rechte Weise und die rechte Haltung des Betens zu lernen.
Und Jesus zeigt ihnen sogleich, worum es im Gebet geht: „Vater, dein Name werde geheiligt.“ Das heißt, im Gebet sollen sie sich an den Vater wenden. Dies soll ehrfurchtsvoll geschehen – aber doch in der Weise, wie Kinder zu ihren Eltern sprechen. Damit wird das Gebet zu etwas sehr Persönlichem, zu einem Gespräch zwischen Kind und Vater. Die Bitten beinhalten aber auch persönliche Verpflichtungen: Man kann nicht Gott um Vergebung der eigenen Sünden bitten, wenn man nicht bereit ist, selber anderen Menschen zu verzeihen. Damit aber wird einem maßlosen und egoistischen Bitten Einhalt geboten. Vielmehr wird Gott um jene Dinge gebeten, die man selbst nicht leisten kann. Vor allem aber drückt Lukas in anschaulichen Bildern die Gewissheit aus, dass Gott in jedem Fall unsere Bitten erhört: Denn wenn schon wir einander Gutes tun, um wie viel mehr wird Gott gut an uns handeln. Damit wird aber deutlich: Bitten gehört zum Menschsein und zum Christstein wesentlich dazu. Es stärkt die Beziehung zwischen Mensch und Gott – und es bewahrt vor zu großer Selbstgerechtigkeit.
Amen.