Gott ruft vielstimmig
Was oder wer bestimmt mein Leben?
Gilt: Hauptsache gesund sein? Oder: Ohne Fleiß kein Preis? Bestimmt mich mein Beruf, oder meine Beziehungen, mein Glaube, oder liebe ich einfach die grenzenlose Freiheit?
Wozu bin ich berufen?
Heute haben wir zwei Berufungsgeschichten gehört, die sehr spektakulär inszeniert sind in der biblischen Überlieferung.
Dieser Holzschnitt von Alexander Silveri illustriert wie der Seraf mit der Zange und der glühenden Kohle über den Jesaja kommt. Die Tempelstiege zerbricht unter dieser Erscheinung. Gewaltig nimmt das Göttliche den verängstigten Propheten in Beschlag.
Im Evangelium werden wir an den See Gennesaret geführt mitten hinein in den Alltag der Fischer. Jesus lockt den Simon und seine Kollegen zur Unzeit noch einmal auf den See und ein völlig unerwarteter Erfolg stellt sich ein.
In beiden Berufungserzählungen erschrecken die Gerufenen und sehen zuerst ihre dunklen Seiten. Jesaja weiß sich unrein, Simon bezeichnet sich als Sünder. Sie fühlen sich ungeeignet für ihren Auftrag: Ich kann das nicht!
Beide erleben, dass sie aus ihrem Unvermögen gerettet werden. Jesaja wird rein durch die glühende Kohle, die seinen Mund berührt. Simon lässt sich von Jesus durch das „Fürchte dich nicht…“ überzeugen.
Alles wunderschön, aber, was hat das mit uns zu tun?
Berufung ereignet sich normalerweise nicht in filmreifen Szenen sondern in der inneren Überzeugung, die oft langsam über Jahre wächst oder plötzlich da sein kann: Da bin ich unmittelbar gemeint! Wenn ich mich da jetzt nicht auf diesen Menschen oder jene Aufgabe einlasse, dann lebe ich an meiner Bestimmung vorbei.
Berufungen habe ich in den letzten Jahren miterleben dürfen bei jungen Flüchtlingen, die durch positive Begegnungen bei der Aufnahme in Österreich angefangen haben, nach dem christlichen Glauben zu fragen.
Genauso habe ich in den letzten Tagen bei der Suche nach Kandidat:innen für den Pfarrgemeinderat erfahren können, wie viele aus unserer Gemeinschaft ein sehr gutes Gespür haben, wozu sie im gegenwärtigen Lebensabschnitt berufen sind und wofür sie sich gerne engagieren wollen, ob im Pfarrgemeinderat, bei anderen Aktivitäten in unseren Pfarren, in ihren Familien oder z.B. in der Kunst.
Gott ruft heute Frauen, Männer, Kinder und Jugendliche um diese Welt zu einem lebenswerten Ort für möglichst alle zu gestalten. Er ist nicht stumm!
Es müssen nicht glühende Kohlen oder volle Boote sein, die uns ermutigen, die eigene Lebensplanung im Hinhören auf Gottes Anspruch hinterfragen zulassen.
Gott spricht auch uns an, wenn Jugendliche für Klimagerechtigkeit auf die Straße gehen, wenn Frauen ihre Rechte in der Kirche einfordern, wenn Pädagoginnen und Ärzte und viele andere in den unterschiedlichsten Berufen mit Geduld und mit wertschätzenden Blick füreinander schauen, dass niemand in dieser Gesundheitskrise abgehängt wird. Gott ruft vielstimmig. AMEN!