Sonntag des Wortes Gottes
Heute ist Sonntag des Wortes Gottes! Vor drei Jahren hat Papst Franziskus den Wunsch vieler Gläubigen erfüllt und diesen Sonntag eingeführt. Er soll jedes Jahr am 3. Sonntag im Jahreskreis, also in der Nähe zur Weltgebetswoche für die Einheit der Christen und den Tag des Judentums begangen werden.
Dieser Sonntag des Wortes Gottes ist für uns ein Segen. Wir als katholische Christ:innen besitzen fast alle eine Bibel, die zu Hause im Bücherregal steht oder auch feierlich aufgeschlagenen an einem besonderen Ort in der Wohnung liegt. Wir bekennen, dass dieses Buch für uns die Heilige Schrift ist und dass uns in diesen Texten Gott selbst anspricht, dass der Text – wie wir in der Liturgie immer wieder bekennen – Wort Gottes ist. Das scheint alles außer Streit zu stehen und klar zu sein. Allerdings kommt mir oft vor, dass wir noch etwas mit der Bibel, dem Wort Gottes, fremdeln. Gerade die hebräische Bibel, das sogenannte Alte oder Erste Testament bleibt uns oft verschlossen. Wenn wir einmal bewusst keine Messe feiern und stattdessen eine Wort Gottes Feier begehen, dann ist das für viele eine Notlösung, oder so eine halbe Sache.
In der Lesung haben wir heute gehört, wie das Volk Israel sich nach der Katastrophe des babylonischen Exils daranmacht Jerusalem und den Tempel aufzubauen und sich als Volk Gottes neu entdeckt. Sie begehen eine feierliche Wort Gottes Feier, in der sie vieles tun, was wir auch heute in unseren Gottesdiensten tun. Das Buch, die Schriftrolle, wird feierlich hereingetragen und aufgeschlagen, alle erheben sich, wenn vorgelesen wird, sie preisen Gott und geben Antwort auf Gottes Wort. Aus der Bibel wird abschnittsweise vorgelesen und es werden Erklärungen gegeben.
Das tut auch Jesus am Sabbat in der Synagoge seiner Heimatstadt und wir heute, jeden Sonntag und auch immer wieder unter der Woche.
Vor wenigen Tagen hatte ich eine starke Begegnung, in der mir klar geworden ist, wie die Bibel als Wort Gottes heute wirkt und Menschen direkt anspricht. Zu mir kam ein Ehepaar aus dem Iran, das in Österreich um Asyl angesucht hat. Beide sind unabhängig voneinander durch Freunde oder Schulkolleginnen als Jugendliche auf die Bibel aufmerksam gemacht worden. Im Iran ist der Besitz der Bibel offiziell verboten und so haben sie sich am freien Freitag heimlich zum Bibellesen getroffen. Sie haben sich ansprechen lassen von dem, was sie gelesen haben, z.B. vom Wort Jesu: Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen! (Mt 18, 20) oder im 1. Johannesbrief: Gott ist die Liebe und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm. (1 Joh 4, 16) Sie bezeichnen sich selbst als Christ:innen, auch wenn sie nicht getauft sind. Und ich konnte ihnen nur zustimmen, dass sie wirklich schon im Herzen Christ:innen sind. Auf der Flucht über die Türkei, Bosnien, Kroatien bis nach Österreich haben sie immer die Nähe von Kirchengemeinden gesucht. Am schlimmsten war für sie, als sie bei den gewaltsamen Pushbacks zwischen Bosnien und Kroatien ihren Rucksack mit der Bibel verloren hatten. Zum Glück haben sie im ersten Flüchtlingslager in Österreich wieder eine erhalten. Sie lesen täglich darin und gehen jeden Sonntag in ihrem Wohnort zur Feier der Messe.
Dieses Ehepaar hat dasselbe getan wie Jesus heute im Evangelium. Sie haben die Worte der Bibel ernst genommen und auf sich selbst bezogen.
Jesus sagt im Evangelium: Heute hat sich das Schriftwort, das ihr eben gehört habt, erfüllt. (Lk 4,21) Er findet im Lesen des Propheten Jesaja seine Berufung und Lebensmission.
Dieser Glücksfall kann für jeden und jede von uns Wirklichkeit werden.
Frere Roger, der Gründer der Brüdergemeinschaft von Taize, hat das so auf den Punkt gebracht: Lebe das, was du vom Evangelium verstanden hast. Und wenn es noch so wenig ist. Aber lebe es! AMEN!