Richtet euch auf!
Mit dem heutigen 1. Adventsonntag beginnen wir eine Predigtreihe zur Enzyklika „Laudato Si“ von Papst Franziskus, die am 24. Mai 2015 erschienen ist. Warum gerade jetzt, nach mehr als 6 Jahren und noch dazu in dieser besinnlichen Advent- und Weihnachtszeit? Weil wir Prediger:innen unserer Pfarren der Meinung sind, dass dieses Schreiben des Papstes eine derartige inhaltliche Sprengkraft hat, die bekannt gemacht werden muss und nicht im Bücherregal verstauben darf. Die vor wenigen Tagen zu Ende gegangene Klimakonferenz hat auch nicht jenen Durchbruch geschafft, der uns in Aufbruchsstimmung versetzt hat. Umso mehr sind wir Christ:innen aufgerufen unseren Beitrag für eine friedliche, gerechte und nachhaltige Welt zu leisten.
Das heutige Evangelium ist geradezu die Ouvertüre für diesen Predigtreigen. Jesus spricht zu seinen Jünger:innen und zu uns heute über die Zeichen der Endzeit, in einer Form, die vergleichbar ist mit den Aussagen des Papstes, die er im ersten Kapitel „Was unserem Haus widerfährt“ beschreibt. Papst Franziskus greift dabei die Themen Umweltverschmutzung und Klimawandel, die Sorge um das Wasser, den Verlust der biologischen Vielfalt, die Verschlechterung der Lebensqualität, die weltweite soziale Ungerechtigkeit und die Unterschiedlichkeit der Meinungen auf. Franziskus schreibt das nicht aus dem Bauch heraus, sondern stützt seine Aussagen auf die aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse. Er stellt an uns Christ:innen und allen Menschen guten Willens die Frage:
„Welche Art von Welt wollen wir denen überlassen, die nach uns kommen, den Kindern, die gerade aufwachsen? Diese Frage betrifft nicht nur die Umwelt in isolierter Weise, denn es ist unmöglich, das Problem fragmentarisch anzugehen.“[1]
Er spricht von einer Wegwerf-(Un-)kultur; wenn alles beliebig und ohne Wert ist; wenn ich mich überall bediene und dann einfach wegwerfe, was ich nicht mehr gebrauchen kann. Dann ist irgendwann auch das menschliche Leben nur noch nach dem Nutzenfaktor bewertet. Das soll nicht sein, sagt der Papst.
„Wir kommen (…) heute nicht umhin anzuerkennen, dass ein wirklich ökologischer Ansatz sich immer in einen sozialen Ansatz verwandelt, der die Gerechtigkeit in die Umweltdiskussionen aufnehmen muss, um die Klage der Armen ebenso zu hören wie die Klage der Erde.“[2]
Der Papst spricht da von einer „Ganzheitlichen Ökologie“. Glaubwürdiger Lebensschutz meint deshalb auch, die Lebensgrundlagen zu schützen.
Es gibt Politiker und Wirtschaftstreibende die sagen: Umweltschutz muss man sich erstmal leisten können! Das klingt wie, wenn noch Geld übrig ist, dann können wir was tun. Quasi als Kür. So können wir nicht weitermachen. Weil Umweltschutz im Kern
Lebensschutz ist!
Gerade in den Pandemie-Zeiten merkt man, wo Politik und Wirtschaft die Prioritäten setzen. Wenn es um künftige Lockerungen geht, wird gleich einmal gefragt, welche Branche zuerst drankommt, um möglichst schnell so weitermachen zu können wie bisher. Es geht wie immer um wirtschaftliche Interessen. Der Mensch ist da oft nur zweitrangig, ein Gefangener der Ökonomie: „Diese Wirtschaft tötet“[3], hat der Papst einmal drastisch formuliert.
Sie tötet, weil mehr Gewinn für die einen oft auch bedeutet, dass andere ausgebeutet werden. Soll und kann es nach der Corona-Krise einfach so weitergehen wie bisher? Was zählt, worauf kommt es an; wo sind die Prioritäten und was ist tatsächlich system-relevant? Eigentlich müsste man fragen, was ist lebens-relevant? Irgendwie erinnert mich das an einen Spruch, der oft zitiert wird und den Cree-Indianern, Ureinwohnern Nordamerikas, zugeschrieben wird:
„Erst wenn der letzte Baum gerodet, der letzte Fluss vergiftet, der letzte Fisch gefangen ist, werdet ihr merken, dass man Geld nicht essen kann.“[4]
Jesus macht uns im heutigen Evangelium Mut, wenn er sagt: „… richtet euch auf und erhebt eure Häupter; denn eure Erlösung ist nahe.“[5] Wir Christ:innen und alle Menschen dieser Erde sind aufgefordert nicht den Kopf in den Sand zu stecken. Lebensschutz Lebensräume, eine Welt mit Gerechtigkeit, Frieden und die Bewahrung der Schöpfung. Ist das Träumerei oder eine Notwendigkeit? Gerade jetzt, in den Ereignissen, Unruhen und Krisen unserer Tage?
Was wir tun können bringt für mich ein Gebet des Papstes auf den Punkt, das am Ende der Enzyklika steht.
„(…) Gott der Armen, hilf uns, die Verlassenen und Vergessenen dieser Erde, die so wertvoll sind in deinen Augen, zu retten. Heile unser Leben, damit wir Beschützer der Welt sind und nicht Räuber, damit wir Schönheit säen und nicht Verseuchung und Zerstörung. Rühre die Herzen derer an, die nur Gewinn suchen auf Kosten der Armen und der Erde. Lehre uns, den Wert von allen Dingen zu entdecken und voll Bewunderung zu betrachten; zu erkennen, dass wir zutiefst verbunden sind mit allen Geschöpfen auf unserem Weg zu deinem unendlichen Licht.“[6]
Es bleibt der rote Faden für eine ganzheitliche Ökologie in der Sorge um das gemeinsame Haus. Auch nach 6 Jahren – auch für die kommende Zeit. Amen.