Ein waches Herz
Elisabeth, 24 Jahre alt bist du geworden.
So kurz war dein Leben;
so kurz die Zeit, die dir gegeben war.
Aber nicht zu kurz, um Gutes zu tun:
Brot zu verschenken denen, die Hunger hatten,
Reichtum zu verteilen denen, die nichts hatten,
da zu sein für jene, denen etwas fehlt.
Elisabeth, 800 Jahre ist es her, seit du gelebt hast.
So lange!
So lange ist deine Geschichte weitererzählt worden,
so lange ist die Erinnerung an dich wach geblieben
und das, was du getan hast, weiter getan geworden.
Hättest du das gedacht,
damals, als du aus innerer Überzeugung den Reichtum der Mächtigen unter den Benachteiligten verteiltest;
hättest du damals gedacht, dass das, was du tust,
so lange wirken würde?
Wohl kaum hast du das gedacht.
Du hast ganz einfach getan, wozu dich dein Herz drängte!
Elisabeth,
du zeigst uns, dass alles, uns noch so unscheinbar vorkommende, das wir tun,
eine große Wirkung haben kann.
Eine Wirkung, die wir selber nicht erahnen können.
Versammelte Gottesdienstgemeinde1
Am Sonntag vor dem Christkönigssonntag, am vorletzten Sonntag vor dem Advent feiern wir die große Lichtgestalt Elisabeth von Thüringen. Der Name Elisabeth bedeutet „GOTT IST FÜLLE“. Der Name ist Programm für die Hl. Elisabeth. Sie ist die Patronen der Witwen, Waisen, Bettler, Kranken, der unschuldig Verfolgten, der Sozialarbeiter und der Caritas. Und mit ihr stehen heute Armen dieser Welt im Mittelpunkt.
Am Beginn der Messe hat unser Pfarrer Wolfgang das sogenannte Tagesgebet stellvertretend für uns gesprochen.
Hören wir dieses Gebet jetzt noch einmal ganz bewusst.
„Gott, du Vater der Armen. Du hast der Heiligen Elisabeth ein waches Herz für die Armen gegeben, in denen sie Christus erkannte und verehrte. Auf ihre Fürsprache gib auch uns den Geist der Liebe und leite uns an zu helfen, wo Menschen in Not und Bedrängnis sind.“
Ich möchte jetzt mit Ihnen dieses Gebet genauer anschauen.
Im Tagesgebet wird Gott als „Vater der Armen“ angesprochen. Natürlich gehören zu den Armen die materiell Armen. Aber arm sind auch die Einsamen, die Verzweifelten, die körperlich und psychisch Kranken. Zu den Armen zählen auch die Drogenabhängigen, die Alkoholkranken, die Menschen, die trauern oder vom Partner verlassen wurden, die Pflegebedürftigen und diejenigen, die ihrem Leben keinen Sinn sehen, sie sich den Tod wünschen, alle die Angst haben. Sie alle zählen zu den Armen. Wenn Gott der Vater all dieser und auch unser Vater ist (wie wir es im Vater unser beten), so heißt das doch, dass die Armen unsere Geschwister sind, und in jeder halbwegs intakten Familie kümmert man sich um die Geschwister.
Im Tagesgebet wird Gott als Geber eines wachen Herzens gesehen. „Du hast der Heiligen Elisabeth ein waches Herz gegeben.“
Nur wer ein waches Herz hat, d.h. ein achtsames, aufmerksames Herz, bemerkt und spürt, wo der Schuh bei unseren Mitmenschen drückt.
Es geht um das sehende Herz. „Man sieht nur mit dem Herzen gut“, sagt der Kleine Prinz von Eurer und dieses sehende Herz ist ein Geschenk Gottes.
Elisabeth sieht im Notleidenden Jesus Christus. Wörtlich heißt es „in denen sie Christus erkannte und verehrte“. Elisabeth sieht in den Kranken und den Armen nicht nur ein Geschenk. Sie geht noch weiter. Elisabeth spürt tief ihrem wachen und offenen Herzen, dass in diesem Menschen Gott selber anwesend ist und sie verehrt im Armen Gott selber.
Diese Haltung Elisabeths ist für uns eine Herausforderung. Ihre Haltung hinterfragt nämlich meine eigene Haltung zu den Notleidenden und Bedürftigen.
Und ich selber muss mir die Frage stellen, wie es bei mir aussieht. Sehe ich im Trauernden, im Kranken, im Ängstlichen, einem straffällig gewordenen Menschen oder einfach in den Leuten, die zu mir in die Caritas-Sprechstunde kommen, Gott? Und verehre ich in diesem Menschen Gott?
„Gib auch uns den Geist deiner Liebe“ heißt es im letzten Teil dieses wunderschönen Gebetes. Wir bitten Gott um ein Herz, welches so ist, wie das Herz der Heiligen Elisabeth: wach, offen, achtsam, aufmerksam, mutig, weit und weise.
So ein Herz möge Gott jedem von uns schenken, damit wir zumindest in unserem persönlichen Umfeld Not und Bedrängnis wahrnehmen, um dann mutig zu helfen und zu unterstützen. Wir haben diesmal das Tagesgebet auf den Pfarrverbandsnachrichten abgedruckt und ich lade Sie ein, zuhause mit aufrichtigem Herzen dieses Gebet immer wieder zu sprechen.
Denn wenn wir Gott um ein waches Herz bestürmen, dann – und davon bin ich zutiefst überzeugt - wird er uns diesen Wunsch erfüllen und unsere Welt wird ein Stück heller. Amen.