Der Reichtum Gottes
Das heutige Evangelium regt mich als Pfarrer doppelt auf.
Einmal ist es die scharfe Kritik Jesu an den Studierten und Religionsbeamten seiner Zeit. Er spricht es ohne Beschönigungen aus: Ihr seid geldgierig, ehrsüchtig und scheinheilig.
Hat sich bei uns heute wirklich etwas geändert? Auch ich gehe in langen Gewändern umher, auch ich muss oder darf Ehrenplätze einnehmen und auch ich habe immer wieder mit Geld zu tun und mit langen Gottesdiensten und Gebeten. Ich fühle mich angesprochen und ertappt und irritiert, dass wir Berufsfromme ein hartes Urteil zu erwarten haben.
Was würde Jesus heute zu unserem Kirchenbeitragssystem sagen und zu unseren Klerikerprivilegien innerhalb der Kirche und manchmal auch noch in der Gesellschaft?
Und dann im Gegensatz dazu stellt uns Jesus eine – zumindest damals so gesehene – gesellschaftliche Randexistenz als Vorbild hin, die arme Witwe.
Das Faszinierende ist: Jesus sieht diese Frau. Jesus sieht, was sie hat. Jesus sieht, was sie gibt. Jesus gibt dieser Frau Ansehen und Wertschätzung und stellt sie seinen Jüngern und uns als Modell, als Vorbild hin. Mit dem Letzten, was sie hat, gibt sie sich ganz in das Vertrauen Gottes hinein. Von ihm erwartet sie sich die Sicherung ihres Lebens. So wie Jesus mit dieser Frau umgeht, zeigt noch mehr: Jesus sieht in dieser Frau, die Göttlichkeit Gottes. So wie Gott selbst alles gibt, was wir zum Leben brauchen, sich selbst gibt, in seinem Sohn Jesus, sich ganz für uns aufopfert, so gibt diese Frau mit den zwei Münzen sich selbst. Für Jesus ist Gott nicht bloß der Vater sondern auch die arme Witwe, die alles gibt. Jesus hat eindeutig auch ein weibliches Gottesbild.
Im Evangelium ist dieses Ereignis zwischen dem Einzug Jesu in Jerusalem und dem Letzten Abendmahl angesiedelt. Was die Witwe von Sarepta mit dem Propheten Elija erlebt, dass Jahwe, der Gott Israels, sie ernährt, wenn sie bereit ist dem Ausländer von ihren letzten Vorräten zu geben, was die Witwe am Opferstock zum Ausdruck bringt, das feiern und erfahren wir in jeder Eucharistiefeier. Wenn wir das Unsere geben, wenn wir unser Vertrauen voll und ganz auf Gott setzen, dann erleben wir Wandlung. Dann ereignet sich Kommunion, Lebensgemeinschaft mit Gott und untereinander.
Darum ist es unerlässlich immer wieder miteinander die Messe zu feiern, damit wir mit neuen Augen sehen, wie sich uns Gott ganz schenkt. Dann werden wir ihn auch im Alltag gerade in verachteten Menschen erkennen, in Frauen und Männern, die kein Ansehen haben. Da werden wir in unserem Vertrauen-können herausgefordert.
Dank dir, du namenlose Witwe vom Opferstock, können uns die Augen aufgehen für den Reichtum Gottes, mit dem er andere und uns beschenkt. Danke! AMEN!