Muss alles TOP sein?
Fast täglich flattern sie uns in die Briefkästen oder liegen vor der Tür, die bunten Prospekte der großen Discounter, Baumärkte, Pizzadienste, usw..
Selbst dann, wenn man den Aufkleber „Bitte keine Reklame“ am Briefkasten und der Tür kleben hat, bekommt man sie über die Hintertür der Tages- und Wochenzeitungen.
Das Wichtigste springt einem sofort entgegen: die „TOP-Angebote“! TOP heißt in diesem Falle immer: möglichst billig!
Schon in meiner Ausbildung als Einzelhandelskaufmann, vor mehr als 40 Jahren, wurde uns dieser verkaufspsychologische Schachzug nahegelegt. Die
„Kunden“ sollen mit dem Gefühl ein „Schnäppchen“ gemacht zu haben zugreifen.
Gibt ihnen das beim Schnäppchenkauf nicht auch manchmal das Gefühl, das Beste herausgeholt zu haben und ein wenig schlauer als andere gewesen zu sein. Und wenn das so einmal funktioniert, dann funktioniert das auch ein zweites Mal. Die Unternehmen freut's. Überhaupt gilt: wenn uns etwas als „TOP“, also als „spitzenmäßig“ verkauft wird, dann werden wir hellhörig. Denn was „spitze“ ist, das muss doch einfach gut sein, oder? Wenn die Schnäppchenjagd beginnt wird vielfach das eine oder andere TOP-Produkt gekauft, das man
eigentlich gar nicht braucht. Aber Hauptsache billig war es.
Aber wo führt uns das hin? Denken wir überhaupt noch nach, ob wir das was wir kaufen tatsächlich brauchen?
Der Wunsch, sich auf eine „TOP-Spitze“ hin auszurichten oder gar selbst „Spitze“ zu werden, scheint ebenso eine menschliche Grundkonstante zu sein. Wer „oben“ ist, von dem meinen viele andere Menschen, diese Person hat es geschafft, die kann uns von ihrer/seiner „höheren Warte“ aus Halt und Orientierung geben. Im Gegenzug müsse man dieser Person dann Ehre und Anerkennung zollen oder sie bei der nächsten Wahl wählen. Vermutlich liegt genau
hierin die Motivation für viele „Gipfelstürmer“: Sie wollen von allen geliebt und verehrt werden. Das ist Nahrung für ihr Ego.
Auf diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dieses TOP-Phänomen auch in der Bibel zu finden.
Im heutigen Text aus dem Markusevangelium, sieht sich Jesus mit diesem
Phänomen konfrontiert. Darauf reagiert er jedoch auf seine eigene Weise und eröffnet so einen ganz neuen Weg, mit diesem Phänomen umzugehen.
Zunächst irritiert Jesus die Jünger damit, dass er vom Leiden und Auferstehen des Menschensohnes spricht. Damit können sie momentan gar nichts anfangen und sie scheuen sich, bei ihrem Meister beherzt nachzufragen. Da wenden sie sich doch lieber einem anderen, für sie viel erfreulicheren Thema zu. Um was es sich dabei handelt, kommt erst später und scheinbar zufällig ans Licht. Als die Gruppe Rast macht, fragt nun Jesus: „Worüber habt ihr unterwegs miteinander gesprochen?“ Die Gruppe schweigt. Hat Jesus etwas von ihren Gesprächen mitbekommen? Offenbar schon ...
Jesus ruft die Zwölf zu sich und nimmt Platz. Diese Geste verstehen alle. Gleich wird es um Grundsätzliches gehen. Nun ist Jesus ganz „Lehrer“. Er spricht Klartext zu seinen „Schülern“: „Wer der Erste sein will, der soll der Letzte von allen und der Diener aller sein.“ Dieser Satz sitzt!
Eigentlich müssten die Jünger doch schon längst kapiert haben, dass es im „Reich Gottes“ nicht um ein „oben“ und „unten“ geht. Es gibt nur eine „Mitte“ und die ist Gott allein! Er ist der Vater seiner Familie. Vor ihm sind alle Familienmitglieder gleich. Deshalb ist es aus der Sicht Gottes auch widersinnig, wenn seine Töchter und Söhne unter sich eine wie auch immer geartete „Rangordnung“ diskutieren. Gottes Reich funktioniert nicht nach den TOP-Kriterien. Gott will keine Hierarchien in seinem Reich! Punkt!
Wer ins Reich Gottes will, der braucht eine ganz andere Haltung. Ihm geht es um die Haltung des Dienens. Das Dienen beginnt mit dem Sehen. Gott, so macht Jesus klar, schaut gerade auf diejenigen, die in den Augen der Menschen unbedeutend sind. Zur Zeit Jesu, waren es die Witwen und Waisen, die Besitzlosen und Ausgestoßenen, die Gefangenen und Sklaven, kurz, all diejenigen, die von der Mehrheit an den Rand der Gesellschaft gedrängt wurden.
Auch unser Papst Franziskus spricht immer wieder davon. Wer Gott finden und Teil des Reiches Gottes werden will, der muss an den Rand gehen. Mit anderen Worten: der muss „nach unten“, wenn er „nach oben“ will.
Wie die Schüler Jesu unmittelbar auf diese Lektion Jesu reagiert haben, erzählt der Evangelist Markus leider nicht. Aber wir, die wir uns ebenfalls „Christen und Christinnen“ nennen, können heute darauf reagieren und eine klare Antwort in unserem eigenen Leben, in unseren Institutionen und in unserer Verantwortung für die Schöpfung geben.
Bei unserer Antwort muss uns stets klar sein, dass der Weg des Christen ins Reich Gottes „nach unten“ führt. In den Augen der Welt ist das gar nicht TOP. Doch gerade „unten“ werden wir Gott treffen. Und er wird uns eben dort in seine liebenden Arme nehmen. Amen.