Legitimation meiner Berufung?
Ja, darf der denn das? Oder darf die das überhaupt?
Eine solche oder ähnliche Reaktion habe ich einmal zu Allerheiligen am Friedhof erlebt, als ich die Gräber gesegnet habe. Als Begräbnisleiterin mache ich auch manchmal die Erfahrung, dass manche Leute nachfragen, ob das dann eh katholisch ist.
In der Lesung haben wir von Amos gehört. Für uns heute ist er eindeutig ein Prophet, aber von sich selbst sagt er, dass er kein „ausgebildeter Prophet“ ist, nicht einmal ein Prophetenschüler. Er ist ein unabhängiger Mann, der von Gott selbst berufen wurde, zum Volk Israel prophetisch zu sprechen. Amos sollte sich körperlich stärken, denn seine Aufgabe war herausfordernd und würde ihn viel Kraft kosten.
Auch uns heute kosten viele Dinge Kraft: im Beruf, in der Familie, auch in der Kirche. Im letzten Jahr hat sich kirchliches Leben stark verändert, vieles fand im digitalen Raum statt, persönliche Begegnung war oft nur in Ausnahmefällen möglich, sogar Gottesdienste wurden im digitalen Raum gefeiert. Pfarrleben, wie wir es seit langem kannten, hat sich geändert. Die Frage, wie es weitergehen wird, treibt viele Menschen um. Und egal ob digital oder analog, es kostet Kraft, sich auf andere Menschen einzulassen, für sie da zu sein und die Frohe Botschaft vom Reich Gottes spürbar zu machen.
So vieles davon geschieht in unserer Kirche schon lange ehrenamtlich: Menschen sind bereit, Verantwortung für bestimmte Gruppen zu übernehmen, sich sozial zu engagieren, für Einsame da zu sein, Gottesdienste zu leiten uvm. Dass es dafür eine gewisse Ordnung und Struktur braucht, leuchtet ein. Für manche Aufgaben ist eine Ausbildung nötig (WGF-Leiter:in, Begräbnisleiter:in…), andere „schaffen“ wir aus der Kraft der Taufe heraus. Gleichzeitig frage ich mich manchmal, ob nicht die Struktur überhandnimmt, in der Verwaltung unserer Pfarren, Pfarrverbände, Seelsorgeräume, in der Diözese. Ist es vielleicht weniger herausfordernd, wenn wir alles in der Hand zu haben meinen als dem Heiligen Geist mehr Spielraum zu gewähren? Viele Menschen beten um Berufungen, gleichzeitig werden Berufungen von Frauen zum Dienst als Diakonin oder Priesterin nicht ernst genommen, belächelt und diesen Frauen das Katholisch-Sein abgesprochen.
Wo bleibt unser Vertrauen in Gott? Kann ich mir vorstellen, mit ganz leichtem Gepäck bzw. nur mit Sandalen an den Füßen am Reich Gottes mitzuarbeiten? Was brauche ich denn wirklich für meinen persönlichen Auftrag, den Gott mir gibt? Wichtiger als alle Leitlinien und Organigramme ist die Offenheit dafür, meinen Auftrag zu erkennen: Wo will Gott mich haben? Das erfordert meine Konzentration auf das Wesentliche, und vor allem Aufmerksamkeit für meine Mitmenschen. Jede:r von uns hat unterschiedliche Fähigkeiten und Talente von Gott bekommen, die wir zum Wohl unserer Gemeinschaft und darüber hinaus einsetzen sollen. Dabei sollen wir nicht verbissen versuchen, den Menschen die Frohe Botschaft aufzuzwingen. Wenn wir durch unser persönliches Lebenszeugnis Menschen entlasten, Trost geben, für sie da sein können, ist das wertvoll und strahlt auf unsere Umgebung aus. Die Frage nach der Legitimation wird sich dort selten bis gar nicht stellen, wo wir durch unser Handeln aus dem Glauben heraus schon heute am Reich Gottes mitgestalten dürfen. Amen.