Was traust du mir zu?
Kennst du das? Du begegnest jemanden und merkst, dass dir dein Gegenüber überhaupt nichts zutraut? Diese Skepsis macht dich wütend, traurig oder fühlt sich gar wie eine Fessel an, die dich lahmlegt.
Es gibt aber auch genau die gegenteilige Erfahrung. Jemand sieht in dir einen Schatz, den du selber noch gar nicht entdeckt hast. Du wirst ermutigt, etwas auszuprobieren und in dir kommt etwas zu Entfaltung, was du dir niemals vorstellen hättest können.
Ich kenne beide Erfahrungen. Als ich auf der Suche war, was ich nach der Matura machen will, habe ich mir einige FHs für Sozialarbeit in Österreich angeschaut. Bei einer hatte ich ein Gespräch mit der Studiengangsleiterin. Schon von Beginn an merkte ich, dass sie mir nicht zutraut, dass ich dort studieren könnte. Als meine Mama und ich ihr Büro verließen, war die Tür noch nicht geschlossen, als sie zu ihrer Sekretärin sagte: "Also das kann ich mir nicht vorstellen, die kann ja nicht mal selber mitschreiben."
Die gegenteilige Erfahrung machte ich dann im Kloster Benediktbeuern, das nebenbei bemerkt überhaupt nicht perfekt rolligerecht war, als ich kam. Dort sagte die Sekretärin der FH für Sozialarbeit: Da dürften wir keine FH für Sozialarbeit sein, wenn wir das nicht hinbekommen würden. Und als ich noch unsicher war, ob ich es tatsächlich schaffen würde, das volle Doppelstudium Sozialarbeit und Theologie zu machen, ermutigte mich eine Studentin, es einfach mal auszuprobieren. Wenn sie nicht gewesen wäre, wäre ich heute wahrscheinlich nicht hier.
Vielleicht lehne ich mich ein bisschen weit aus dem Fenster hinaus, wenn ich unsere menschliche Erfahrung jetzt auf Jesus übertrage. Er ist schließlich nicht nur ein Mensch, sondern zugleich der allmächtige Gott. Und doch heißt es im heutigen Evangelium: Er konnte dort aufgrund ihres Unglaubens keine Machttat/keine Wunder tun. Gott macht sich scheinbar tatsächlich von unserem Zutrauen abhängig.
Ich möchte dich heute ermutigen, dieses Zutrauen sowohl gegenüber Gott als auch gegenüber unseren Mitmenschen wieder neu einzuüben. Ich glaube, dann werden wir einige kleine und große Wunder erleben.
Auch wenn du glaubst, deine Familienmitglieder und Freunde genau zu kennen, du bist noch nicht fertig mit ihnen. Blicke z.b. heute beim Mittagessen mal wieder mit ganz neuen Augen auf sie, versuche einen neuen Schatz in ihnen zu entdecken, der dir bis jetzt verborgen war. Und ermutige sie, diesen Schatz zu heben.
Auch mit Jesus geht es dir vielleicht ähnlich wie mit deinen Familienmitgliedern. Du kennst ihn schon seit Kindertagen. Gehst Sonntag für Sonntag in die Messe, kennst das Evangelium. Was soll dich da noch überraschen? Ähnlich ist es den Leuten aus Nazareth gegangen. Sie kannten den Zimmermannssohn von klein auf. Was sollten sie von ihm erwarten? Versuche auch auf ihn heute einen ganz neuen neugierigen Blick zu werfen und sag ihm, was du ihm zutraust. Dann kann er Wunder tun. Sie schauen nicht immer so aus, wie wir es uns vorstellen, aber sie sie sind gut.
Und wo bleibe ich? Fragst du dich jetzt vielleicht. Ja genau. Auch du brauchst Ermutigung und Zutrauen damit du Großes vollbringen kannst. Und ich kann dir versichern, der, der dich am meisten anfeuert ist Gott selbst. „Stell dich auf deine Füße“, ruft er in der heutigen Lesung den Propheten Ezechiel zu. „Da kam Geist in mich, als er zu mir redete, und er stellte mich auf meine Füße.“ Gott ermutigt also nicht nur, sondern er gibt auch die Kraft dafür. Und er hat beileibe keinen leichten Auftrag für Ezechiel. Zu einem „Haus voller Widerspenstigkeit“ soll er gehen und Gottes Liebe verkünden.
Ich glaube, so ist es auch mit uns. Gott traut uns etwas zu und er gibt uns die Kraft dafür. Damit du Gott immer mehr als deinen persönlichen Ermutiger und Anfeuerer kennenlernst lade ich dich zu einem weiteren Experiment ein
(- Das erste war, anderen etwas zutrauen und sie ermutigen,
- das zweite war Jesus sagen, was du ihm zutraust und jetzt kommt
- das dritte, nämlich Lauschen, wie Gott dich ermutigt):
Frage mal eine Woche lang direkt nach dem Aufwachen Gott, wie er dich heute sieht und was er dir heute mit in den Tag geben will. Halte dann eine kurze Stille und schreibe deine Gedanken auf. Vielleicht zweifelst du, ob die Gedanken wirklich von Gott kommen, oder vielleicht nur deine eigenen Hirngespinste sind. Aber wenn die Gedanken ermutigend und aufbauend sind, dann kannst du davon ausgehen, dass Gott sie dir ins Herz gelegt hat. Schreib sie auch wirklich auf, damit du sie nicht im Trubel des Alltags vergisst. Und wenn du dann mal entmutigt bist und dir denkst, dass du sowieso nichts auf die Reihe bekommst, dann lies dir diese Zeilen durch. Sie werden dich daran erinnern, dass es da jemanden gibt, der dir etwas zutraut und das wird wiederum kleine und große Wunder in deinem Leben freisetzen. Amen.