Wer ist Jesus für Dich?
„Wer ist denn dieser, dass ihm sogar der Wind und das Meer gehorchen?“ Diese Frage stellen die Jünger, nachdem Jesus den Sturm auf dem See gestillt hat.
Wer ist denn dieser? Wer ist Jesus für Sie? Wer ist Jesus für mich?
Wir dürfen diese Evangeliumsstelle nachösterlich lesen. Somit wissen wir, dass Jesus der Sohn Gottes ist, der für uns am Kreuz gestorben ist und den Gott aus dem Tod auferweckt hat. Am Ende des Markusevangeliums werden die Jünger/innen wieder zurück nach Galiläa geschickt, dorthin, wo alles begonnen hat, zurück in ihren je eigenen Alltag.
Aus unserem Alltag heraus versammeln wir uns jeden Sonntag, um auf das Wort Gottes zu hören und ihm im Wort und im Sakrament der Eucharistie zu begegnen. Wir wollen Kraft schöpfen für unseren Alltag, für unser Leben.
Viele von uns haben ebenso wie die Jünger schon stürmische Zeiten erlebt: ein tragischer Todesfall in der Familie, eine schlimme Diagnose, Probleme in unseren Beziehungen, die Belastungen durch die Pandemie und alles, was damit einhergeht. Auch ich habe mir schon die Frage gestellt, wo Gott ist, wenn in meinen Leben schreckliche Dinge passiert sind. So machen wir als glaubende Menschen die Erfahrung, dass ein Leben mit Gott nicht bedeutet, dass immer alles glattgeht und mir schon nichts Schlimmes passieren wird. Aus manchen Stürmen bin ich gestärkt hervorgegangen, weil es Menschen gab, die mich unterstützt haben und für mich da waren, die mich spüren ließen, dass Gott mich nicht vergessen hat. Mit anderen hadere ich noch immer und bin mir nicht sicher, ob es sich in diesem Leben lösen wird.
Als Christin bin ich ja nicht nur auf mich bezogen und frage mich in den letzten Monaten vermehrt, wie wir mit den aktuellen Herausforderungen nicht nur umgehen können, sondern ob es Lösungen gibt. Dort, wo Menschen – Frauen, Kinder, Männer – unter menschenunwürdigen Bedingungen, ohne Perspektive, in den Flüchtlingslagern auf ein besseres Leben hoffen. Dort, wo Menschen von der Pandemie in unvorstellbarem Ausmaß betroffen sind, ich denke an Indien, Brasilien und andere Staaten, in denen es keine Möglichkeit für einen Lockdown und oft nicht einmal sauberes Wasser zum Händewaschen gibt. Dort, wo uns vor Augen geführt wird, dass unser Lebensstil das Klima unserer Erde bedroht. Dort, wo Menschen in unserer steirischen Kirche Angst und Verunsicherung spüren, wie es mit uns weitergehen soll, was von unserem Kirche-Sein besonders „nach Corona“ noch übrigbleiben wird und wo schmerzhaft klar ist, dass es so nicht weitergehen kann.
Sehr berührt hat mich letzte Woche bei einem Bibliolog zu dieser Stelle die Aussage einer Person in der Rolle eines Jüngers, der sich fragte, wie erschöpft Jesus sein musste, wenn er während des Sturmes einfach im Boot liegt und schläft. Das ist sehr menschlich gedacht, und für mich bedeutet es, dass Gott uns unsere Verantwortung für das eigene Leben, für die Schöpfung und für unsere Mitmenschen nicht abnimmt. Aber er ist da, er lässt uns nicht allein.
Besonders deutlich durfte ich das bei unserem Gottesdienst zum Sonntag der Diözesanpartnerschaften letzten Samstag erleben. Trotz aller Schwere der Situation in unserer Partnerdiözese Bom Jesus da Lapa war so viel von Hoffnung, von Glaube und Vertrauen zu spüren. Ich darf von den Menschen dort lernen, dass sie darauf vertrauen, dass Gott an ihrer Seite ist, auch dann noch, wenn das Boot des Lebens zu kentern droht. Dazu trägt auch die Verbundenheit über viele Tausende Kilometer bei. Das können auch wir hier Ort lernen und üben: den Stürmen nicht auszuweichen, auf Menschen zuzugehen, die es gerade schwer haben und einfach füreinander da zu sein. Amen.