Predigt
Verschwenderische Liebe rechnet nicht
Jetzt ist die Stunde der heimlichen Jünger Jesu. Die offiziellen Freunde haben sich längst vor Angst aus dem Staub gemacht, zumindest die meisten. Jetzt zur Bestattung des Leichnams kommen Josef aus Arimathäa, der aus Furcht vor den Juden nur heimlich ein Jünger Jesu war und auch Nikodemus, einer aus dem Hohen Rat, der früher einmal Jesus bei Nacht aufgesucht hatte. Er ist mir bei der Betrachtung der heutigen Schriftlesungen in den letzten Tagen zu einem Freund geworden, denn ich habe den Verdacht, wir können viel von ihm lernen. Ich möchte mich also mit euch gemeinsam auf den Weg machen, Nikodemus besser kennenzulernen.
Nikodemus war sozusagen ein heimlicher Fan Jesu. Er hat sich extra bei Nacht zu ihm geschlichen, um ihn besser kennenzulernen. Dies bei Tageslicht zu tun, wäre ihm wohl peinlich gewesen. Schließlich gehörte er zum hohen Rat und da war Jesus nicht angesehen. Und ausgerechnet jetzt, nachdem Jesus tatsächlich durch den Hohen Rat ausgeliefert und zum Tod verurteilt wurde, traut sich Nikodemus auf einmal, sich gegen seine Kollegen zu stellen. Er setzt alles auf eine Karte, auf einen, der da tot liegt. Jetzt, wo Jesus tot ist, wo er nichts mehr von ihm erwarten kann, jetzt beschenkt er ihn mit einer unfassbaren Menge an wertvollem und duftenden Myrrhe und Aloe. 100 Pfund steht da. Das sind über 32 Kilo. Also fast die Hälfte des ganzen Körpergewichts von Jesus.
Was für eine Verschwendung. Er muss sein ganzes Vermögen dafür ausgegeben haben. Warum? Wir könnten sagen, Jesus hat da jetzt nichts mehr davon und er kann ihm auch nichts mehr zurück schenken, so tot wie er da liegt. Scheinbar steckt da mehr dahinter. Verschwenderisch will er sich mit allem was er hat an Jesus verschenken, ohne dass er noch etwas von ihm erwarten kann. Es wirft das Bild über Bord: ich tue etwas für Gott, damit er auch was für mich tut. Für mich ist das eine Aufforderung, mich denen hin zu schenken, von denen ich nichts zu erwarten habe. Es fordert mich heraus, meine Zeit und Kraft in Beziehungen zu investieren, die scheinbar tot sind. Wie komme ich dazu? Der andere meldet sich ja auch nie... Egal, ich versuche es trotzdem wieder.
Aus mir heraus habe ich die Kraft nicht dazu. Es muss das passieren, was Jesus dem Nikodemus schon damals in der Nacht erzählt hat. Wir müssen von Neuem, also von oben, durch Gottes Liebe neu geboren werden. Eine Verwandlung muss in unserem Herzen passieren. Es ist eine Verwandlung, bei der wir das Rechnen verlernen und gegen eine ungeheure Verschwendung austauschen.
Spätestens am Ostermorgen wird Nikodemus sehen, dass seine verschwenderische Liebe nicht vergeblich war. Und auch wir werden das irgendwann merken, in unseren Beziehungen. Manchmal müssen wir halt sehr geduldig sein.