Predigt
Mit allen Wassern gewaschen
Stellen Sie sich vor, dass unser Bischof Wilhelm zu Besuch kommt und sich nicht an die Festtafel ganz oben setzt auf den Ehrenplatz, sondern in die Küche geht, von dort mit der Suppe herauskommt und alle Gäste bedient. Wahrscheinlich würden wir genau so blöd schauen, wie die Jünger Jesu, als er begann ihnen die Füße zu waschen.
Was Johannes uns heute erzählt, war eine übliche Geste im Orient: Es wurde den Gästen die ins Haus oder Zelt kamen die Füße gewaschen. Dies war ein Zeichen der Ehrerbietung gegenüber dem Gast. Nur muss man wissen, dass dies ein reiner Skalvendienst war. Niemals hätte sich der Hausherr oder seine Gattin, oder sonst wer vom Haus, für diesen niedrigen Dienst hinuntergebeugt. Kein freier Jude hätte sich zu diesem Dienst herabgelassen.
Jesus tut dieses Zeichen aber ganz bewusst und er zeigt den Jüngerinnen und Jüngern erneut auf, was er ihnen immer wieder gesagt hat: „Wer der Erste sein will, soll der Diener aller sein.“ Seine Botschaft beim Letzten Abendmahl also lautet: Spielt euch nicht als Herren auf. Als Menschen die besser sind als alle anderen.
Die Fußwaschung hatte damals aber noch eine weitere Bedeutung: Wenn sich Juden dem Tempel näherten, mussten sie viele rituelle Waschungen machen. Sie mussten möglichst rein sein, um sich Gott zu nähern. Letztendlich durften nur wenig Auserwählte vor das Allerheiligste treten, z.B. die Hohepriester.
Jesus dreht durch diese Zeichenhandlung den Spieß um: Gott ist nicht mehr der Ferne, den ich nur unter größter Anstrengung und größter Reinheit erreiche, sondern er selbst erniedrigt sich und kommt uns nahe. Gott kniet vor uns Menschen im Staub und wäscht uns die Füße!
Kurz nach dem Letzten Abendmahl ist es der römische Prokurator Pontius Pilatus, der sich als sichtbares Zeichen die Hände wäscht, mit der Botschaft, dass er am Tod Jesu unschuldig ist.
„Sich die Hände in Unschuld waschen“ ist zu einem geflügelten Sprichwort geworden und meint, das betrifft mich nicht.
Das Handeln Jesu ist ganz gegenteilig. Ihm geht es nicht darum, saubere Hände zu haben, sondern man soll sich ruhig die Hände schmutzig machen im Dienst am Nächsten.
Wie oft hat Jesus gezeigt, dass er keine Berührungsängste mit den Ausgestoßenen an der Gesellschaft hat. Er heilt die Kranken und Aussätzigen, die keiner berührt, er geht zu den Zöllnern, Sündern und Sünderinnen und isst und trinkt mit ihnen.
Nicht was von außen in den Menschen kommt macht ihn unrein – sondern was in seinem Inneren ist. Die Gefühle von Zorn und Hass, von Neid und Missgunst. Unser Innerstes gilt es rein zu halten.
Sich die Hände in Unschuld waschen ist leicht, aber es entschuldigt nicht, wenn wir an der Not vorbeischauen. Christinnen und Christen sollen sich nicht aus der Not heraushalten, sondern genau dort stehen, wo es Not gibt.
Die für uns Christen und Christinnen wohl bedeutendste Waschung ist die Taufe, mit der wir in die christliche Gemeinschaft aufgenommen worden sind. Übermorgen, in der Osternacht, werden wir wieder daran erinnert und in dieses Zeichen, mit unserem Bekenntnis zum christlichen Glauben, hineingeführt. Auch bei der Taufe geht es nicht um Reinigung vom Alltagsstaub, sondern um jene von unseren Sünden.
Das Zeichen der Fußwaschung am Gründonnerstag soll uns verdeutlichen und immer wieder neu daran erinnern, dass Christsein eben nicht heißt: „mit allen Wassern gewaschen zu sein“, sondern sich immer wieder einmal die Hände schmutzig zu machen im Dienst an den Menschen. Genau dadurch haben wir Anteil an Jesus und werden rein vor Gott. Amen.