Predigt
Kyrie eleison!
Amen. Hosanna. Kyrie eleison! Ganz selbstverständlich verwenden wir in unseren Gottesdiensten Fremdwörter aus dem Hebräischen und Griechischen, auch wenn wir seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil in unserer Muttersprache feiern dürfen. Es lohnt sich, darüber nachzudenken, was die Worte bedeuten und wo/wie wir sie einsetzen. „Amen“ dient zur Bekräftigung und Bestätigung und bedeutet „So sei es“ oder „so ist es“. Hosanna rufen wir in der Karwoche und im Sanctus in der Messe. Übersetzt bedeutet es „Herr, hilf doch!“. Eines der Fremdwörter lasse ich heute bewusst weg, weil wir uns ja in der Fastenzeit befinden.
Heute geht es um das Kyrie eleison. Vielleicht haben Sie sich gedacht, dass im Liedplan etwas nicht stimmt, weil wir als Eröffnungsgesang eine Kyrielitanei gehört und innerlich mitgebet haben. Aber das ist durchaus eine vorgesehene Möglichkeit, einerseits als Litanei wie heute, was gut in die österliche Bußzeit passt, andererseits gibt es Lieder, die als „Leisen“ bezeichnet werden. Das sind die ältesten deutschsprachigen Kirchenlieder, die meist auf Kyrieeleis enden. Im Gotteslob ist ein Beispiel dafür „Nun bitten wir den Heiligen Geist“ (GL 348).
Aber was bedeutet nun „Kyrie eleison“? In der Antike begrüßten die Menschen jeden Morgen die Sonne, die als Gottheit verehrt wurde, mit diesem Ruf. Auch ein Feldherr oder der Kaiser wurde mit diesem Huldigungsruf begrüßt. Wir begrüßen damit Christus, unseren Herrn, in unserer Mitte, wenn wir uns zum Gottesdienst versammeln. Heute ist das in Österreich ungefährlich, aber stellen Sie sich vor, wie das in der Zeit der Christenverfolgung im alten Rom war, wo für Christ/innen Jesus Christus als der Kyrios galt und nicht der Kaiser. Ein nicht ganz ungefährliches Bekenntnis.
In der Messe wird der Kyrieruf manchmal mit dem Schuldbekenntnis verwechselt, weil die beiden Teile unmittelbar aufeinander folgen. Das mag auch daran liegen, dass wir es mit „Herr, erbarme dich“ übersetzen. In der Wortgottesfeier ist das anderes aufgeteilt, da gehört das Kyrie zum Eröffnungsteil und ein Schuldbekenntnis kann nach der Predigt folgen. Nicht notwendigerweise vom Prediger/der Predigerin .
Der Text der Kyrielitanei „Du rufst uns, Herr, trotz unsrer Schuld“ stammt aus dem Jahr 1971. Er wurde vom niederländischen Priester Johannes Heinrich Bergsma verfasst. Dieser erlebte in seiner Kindheit und Jugend den Widerstand gegen die Nazis in seiner Familie. Als er zum Priester geweiht wurde, entschloss er sich, im Norden Deutschlands als Seelsorger für katholische Vertriebene zu wirken. Zeit seines Lebens waren ihm der Dialog mit dem Judentum und die Ökumene ein großes Anliegen.
Die Litanei, die er gedichtet hat, beginnt mit einer Christusanrufung: „Du rufst uns, Herr, trotz unsrer Schuld. Denn größer als alle Schuld ist deine Liebe.“ Für mich heißt das: Ich bin nicht perfekt, und trotzdem ruft Jesus auch mich in seine Nachfolge.
Schuld ist in unserer Kirche immer wieder ein großes Thema: die Schuld des/der Einzelnen, Schuld, die die Kirche auf sich geladen hat und lädt. Manchen wird zu viel davon gesprochen, anderen zu wenig. Manchmal bin ich versucht zu sagen, dass Gott mich ohnehin liebt, so wie ich bin. Das stimmt schon, aber Gott traut mir auch immer wieder Veränderung, in diesem Fall Verbesserung zu. Meine Mitmenschen werden es mir danken, wenn ich es versuche.
In der 2. und 3. Strophe weicht der Autor von den Vorgaben der Kyrierufe ab, die Zuschreibungen an Christus sind. Im strengen Sinn müsste man umformulieren und sagen: „Du lässt uns glauben an deine Liebe“, „Du kommst uns zu Hilfe“, „Du bist unser Halt“. Singtechnisch wäre das kein Problem. Doch wichtiger als absolute Korrektheit in der Liturgie ist unsere innere Haltung. Wenn wir Jesus Christus als unseren Herrn bekennen und ihn begrüßen im Wissen um seine Liebe zu uns, genügt das. So sei es.