Kommt alle zu mir
"Nur Arbeit war dein Leben, nie dachtest du an dich. Nur für die Deinen streben, war deine höchste Pflicht!"
Diesen Vers finden wir bei manchen Parten und auch in Begräbnisgesprächen höre ich immer wieder einmal: Ja, sein oder ihr Leben war die Arbeit.
Schade, denke ich mir dann oft. Eine Aufgabe zu haben, für diese Aufgabe sich einzusetzen, ja dafür zu leben, ist sicher etwas Schönes. Unsere Kultur ist aber zu stark vom Machen bestimmt. Wenn wir jemanden neu kennenlernen, fragen wir oft: Und, was machst du? Wir meinen dann oft, durch die Beantwortung dieser Frage draufzukommen: Wer der andere ist. Menschen, die krank geworden sind, oder alt, in Pension oder gar arbeitslos sind, leiden darunter, wenn sie nicht mehr tätig sein können. Sie empfinden sich selbst als nutzlos und wertlos. Scheinbar gilt in unserer Gesellschaft nur der oder die etwas, die etwas macht, produziert, arbeitet und werkt.
Im heutigen Evangelium hören wir aus dem Mund Jesu eine ganz andere Lebensphilosophie: Kommt alle zu mir, die ihr mühselig und beladen seid! Ich will euch erquicken. Mt 11,28 Jesus will uns durchatmen und aufatmen lassen. Er will entlasten. Er übt keinen Druck aus. Er sagt nicht: Erst wenn´s der Wirtschaft gut geht, geht´s uns allen gut. Jesus greift aus seiner jüdischen Religion auf, was Gott in seine Schöpfung hinein gelegt hat: Die Lebensfreude, oder in der Sprache der Religion, den Segen.
Darum kann Jesus zuerst die Kleinen und Schwachen seligpreisen, die Unmündigen. Die haben sich nichts erarbeitet, erspart und wenig geleistet. Die sind einfach nur da und leben in den Tag hinein. Damit sind sie ganz dran am Plan Gottes. Jesus lädt ein, sein Joch aufzunehmen, sich einspannen zu lassen. Joch ist im religiösen Sinn im Judentum das Gesetz des Mose. Jesus aber hat nicht neue Gesetze und Gebote für uns bereit. Er fordert auch keine Askese und keine Opfer ein. Er will nicht, dass wir uns im Leben aufopfern. Das hat er selbst ein für alle Mal getan, um uns zu befreien. Er beschenkt uns freiwillig, damit wir Ruhe finden. Sein Joch ist die Beziehung zu ihm, seine Freundschaft.
So wie er in tiefster Verbundenheit mit Gott lebt, den er seinen Vater nennt, will er, dass wir mit ihm leben und so in lebendiger Beziehung zu Gott stehen. Das ist Jesu Lebenssinn und seine Vollmacht: Alles ist mir von meinem Vater übergeben worden; niemand kennt den Sohn, nur der Vater, und niemand kennt den Vater, nur der Sohn und der, dem es der Sohn offenbaren will. Mt 11,27.
Letzte Woche kam ich ins Gespräch mit einem älteren Herrn aus unserer Pfarre, der durch eine doppelte Krise, in diese Freundschaft mit Jesus hineingefunden hat. Vor einem Jahr ist ihm seine Frau gestorben und er selbst hat sich in dieser Zeit einer schweren Operation unterziehen müssen. Leider war seine Ehe, die sich über einige Jahrzehnte entfaltet hat, kinderlos geblieben. Mittlerweile kann er wieder allein und selbstbestimmt in seiner Wohnung leben und ist viel allein. Er hat mir erzählt, dass er damals nach dem Tod seiner Frau und nach seiner Krankheit, eine psychotherapeutische Hilfe in Anspruch genommen hatte. Viele Gespräche hat er mit seinem Begleiter geführt. Am Schluss des letzten Gespräches hat er den Therapeuten beim Hinausgehen gefragt: Glauben Sie, dass ich es jetzt schaffen werde, allein zu leben?
Der Therapeut hat zu ihm gesagt: Herr Bachler, Sie haben einen Freund!
Und mein Gesprächspartner hat dann auf die Christusikone an der Wohnzimmerwand hingezeigt und gesagt: Ja, er hatte recht. Ich habe einen Freund. Wenn ich bei ihm bin, werde ich ganz ruhig.
Das ist der innerste Wert unseres Daseins: Ich habe einen Freund! Das ist das Geheimnis unseres Glaubens: In Freundschaft mit Jesus zu leben.
Das dürfen wir dankbar gemeinsam jeden Sonntag feiern. AMEN!