Fürchte dich nicht!
Am vergangenen Sonntag hat unsere Pastoralreferentin Elisabeth in ihrer Predigt auch von ihrem „missionarischen Einsatz“ in Brasilien, in unserer Partnerdiözese „Bom Jesus da Lapa“, berichtet. Sie hat gesagt, dass sie am Anfang ihres dreimonatigen Aufenthaltes von der Anrede „Missionarin“ ein wenig verstört war. Vor allem weil sie keine Ordensfrau ist und es dort keinen Beruf der Pastoralreferent*innen wie bei uns gibt. Sie ist dann in der Predigt vom Lesungstext aus dem Buch Exodus ausgegangen und hat die Aussage: „Jetzt aber ...“, in den Mittelpunkt gestellt. Ich möchte daran anknüpfen und die dreimalige Zusage Jesu „Fürchtet euch nicht!“ bzw. „Fürchte DICH nicht!“ hinzufügen, die wir im heutigen Evangelium gehört haben.
„Muss ich dir das dreimal sagen!“ – Wer muss bei diesem Satz nicht zusammenzucken und an seine Eltern oder an die Schule denken. Wieder einmal hat man sich offensichtlich nicht an etwas Wichtiges und bereits mehrmals Wiederholtes gehalten.
Dreimal sagt Jesus zu seinen Freunden: „Fürchtet euch nicht!“ Ich bin versucht Jesus entgegenzuhalten: Ja, ich fürchte mich, vor den Menschen, vor der Brutalität zu der sie fähig sind, vor dem Hass, der aus den Handlungen von Terroristen und Attentätern hervorgeht. Bilder die mir jeden Tag über die Medien präsentiert werden. Offensichtlich hat auch Jesus Bedenken, dass seine zentrale Botschaft nicht gehört, geglaubt und befolgt wird, obwohl diese den Kern seiner Verkündigung und seines Handelns darstellt.
Die Aufforderung „Fürchte dich nicht!“ kommt insgesamt über zwanzigmal im Neuen Testament vor. Bei einigen Gelegenheiten sind es Engel, die so zu erschreckten und furchtsamen Menschen sprechen, meistens kommen diese Worte jedoch aus dem Mund Jesu selbst. Das griechische Wort für Furcht und Angst, wie es sich im Neuen Testament findet, ist „phobos“. Es kommt auch im Fremdwort „Phobie“ vor. Interessant ist, dass die indogermanische Wortwurzel dieses Begriffs auf das Verb „davonlaufen“ zurückgeht und im Griechischen verwandt ist mit den Ausdrücken für „fliehen, aufscheuchen, erschrecken“.
Viele Evangelientexte weisen darauf hin, dass uns die Angst vor eine Wahl stellt, die für unser Leben entscheidend ist. Leben wir aus Angst oder überwinden wir die Angst im Vertrauen? Im letzteren entdecken wir den Glauben als sicheren Halt. So können wir inmitten dieser Welt, zwischen Himmel und Erde, Zeit und Ewigkeit, Göttlichem und Menschlichem, Bewusstem und Unbewusstem, im Denken und Fühlen einigermaßen im Gleichgewicht leben. Das biblische Bild dafür ist in Matthäus 14, der Gang des Petrus übers Wasser: Sehen wir nur die Wellen, hören wir nur den Sturm, würden wir vor lauter Angst das Leben unter unseren Füßen wegbrechen spüren. Oder schauen wir auf die Gestalt, die vom anderen Ufer auf uns zukommt, dann trägt uns das Wasser. An Jesus wird erlebbar, dass der „ICH-BIN-DA“ kein einengender und verbietender Gott ist, sondern einer, der treu an der Seite der Menschen durch dick und dünn geht, damit sie das Leben haben - und es in Fülle haben. Im Vertrauen auf Gott können wir uns als seine wertvollen Geschöpfe entdecken. Genau dieses Vertrauen mahnt er im heutigen Evangelium ein, wenn er sagt: „Verkauft man nicht zwei Spatzen für ein paar Pfennig? Und doch fällt keiner von ihnen zur Erde ohne den Willen eures Vaters. Bei euch aber sind sogar die Haare auf dem Kopf alle gezählt. Fürchtet euch also nicht! Ihr seid mehr wert als viele Spatzen.“ (Mt 10,29-31)
Diesen Wert eines jeden Menschen stellt Jesus durch seine Heilungen her, indem er es versteht, die vielfältigen und vielschichtigen Ängste durch den Zuspruch eines gegenwärtigen und liebenden Gottes einzudämmen. Um dieses ursprüngliche und doch so neue Gottesbild auszudrücken, führt er die Bezeichnung Abba, d.h. Vater, ein. Am Ende seines Lebens war er gezwungen, Ernst mit dem zu machen, worüber er gesprochen und was er durch sein Tun verdeutlicht hat. Selbst im äußersten Erleben von Angst in Gethsemane und auf Golgotha, trotz Schmerzen und Verlassenheit, bleibt er seiner Überzeugung treu und vertraut in seiner Furcht auf seinen Vater, auf den „ICH-BIN-DA“.
Herr, sende uns mit den Worten: „Jetzt aber ...“ hinaus zu den Menschen um die Botschaft von deinem Tod, deiner Auferstehung und Wiederkunft zu verkünden und bestärke uns immer wieder mit deinem Zuspruch: „Fürchte dich nicht!“. Amen