Die Diözese Graz-Seckau, 1218 gegründet, umfasst 388 Pfarren. Diözesanbischof ist seit 2015 Wilhelm Krautwaschl. Mehr zur Diözese
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„Wir leben nicht einer Zeit des Wandels, sondern in einem Zeitenwandel“, eröffnete Diözesanbischof Wilhelm Krautwaschl die Priestertage 2022 der Diözese Graz-Seckau mit einem Zitat, das Papst Franziskus schon 2015 gesagt hatte; vor Corona, vor dem Krieg in Europa, vor der Energiekrise, vor der explodierenden Ich-Bezogenheit in der westlichen Gesellschaft. Die Kirche mit ihrer Botschaft und ihren hilfreichen Institutionen sei in dieser Zeit wichtiger denn je, so der Bischof. Die Priestertage finden traditionell zu Beginn des Kirchenarbeitsjahres statt. Sie dienen der Inspiration und dem Austausch der 360 Priester in der Diözese und fanden heuer von 19. bis 22. September auf Schloss Seggau statt.
Bischof Wilhelm betonte in seinem Impuls die Nöte unserer Zeit: Klimawandel, Ukrainekrieg, Rückzug in das Eigene, Anfälligkeit für Populismus, Migration und Asyl, Inflation und Energiekrise, Schutz des Lebens, Rolle der „un“sozialen Medien. Man könnte verzagen angesichts dieser Tatsachen, doch das müsse man als gläubiger Mensch nicht, so Bischof Wilhelm, denn dann könne man stets auf Gottes Gegenwart vertrauen und auf Jesus Christus, wenn wir ihm nachfolgen. Die Priester brauche die katholische Kirche zur „Personifizierung dessen, der voran- und mit uns geht auf dem gemeinsamen Weg aller Gläubigen“.
Bischof Wilhelm sprach die Veränderungen in der Gesellschaft an: Katholische Milieus gebe es immer weniger, die Rolle der Kirche als Glaubensgemeinschaft werde unbedeutender, während kirchliche Hilfsorganisationen und Bildungseinrichtungen boomen. Der Wandel in der Gesellschaft müsse ein Überdenken kirchlicher Herangehensweisen mit sich bringen. So könnte man etwa fragen, ob Taufe oder Segen angebrachter sei, ob es passt, alle Kinder zeitgleich zur Erstkommunion zu führen, ob alle Jugendlichen zeitgleich gefirmt werden müssen, wie heute mit Schuld, Versagen und Sünde umzugehen sei oder wie die Kirche für Eheleute und beim Sterben hilf- und segensreich sein kann.
Als Gastreferent war heuer Jan Loffeld eingeladen. Der Priester und Professor für Pastoraltheologie an der Tilburg University School of Catholic Theology in Utrecht sprach über die „Evangelisierung heute“ und bestätigte auf Basis internationaler Studien den von Bischof Wilhelm angesprochenen Wandel. „Werden wir, wird die Kirche nicht mehr gebraucht?“, so seine Frage angesichts ernüchternder Studienergebnisse. In den Niederlanden etwa meinen 70% der Menschen, ohne Religion zurechtzukommen. In Österreich fanden laut Austrian Research Panel 2020 gar nur 19% der Menschen Religion wichtig. Die Coronapandemie habe die Trennung von der Kirche beschleunigt.
„Die Distanz zu Gott wächst laufend“, so der Theologe, „und viele meinen, auch ohne Gott gut leben zu können oder stellen sich die Frage nach Gott überhaupt nicht mehr. Diesen Apatheisten sei Gott fremd und egal“. Vor allem: Die Glaubensregeln seien mit der zeitgeistigen Selbstbestimmung und Selbstverwirklichung nicht vereinbar. Zur Selbstoptimierung brauche man keine Erlösung, so Prof. Loffeld, und das Leben müsse auch keinen Sinn haben, solange es „OK“ sei. Die Mehrheit sei gleichgültig und desinteressiert und dagegen sei die Kirche machtlos mit ihren Antworten auf Fragen, die nicht mehr gestellt werden. Unter vielen Angeboten sei die Kirche heute nur mehr eine „schwache Option“; der Sport dagegen, von vielen als Ersatzreligion betrachtet, sei eine „starke Option“.
Dennoch gebe es eine „Sehnsucht“ nach „Urnarrativen“, also besonderen Erzählungen und Geschichten, die durch „auratische“ Bauwerke untermauert werden. Das zeige sich im Fremdenverkehr, wenn Dome und Stifte Tourismusmagnete sind. Oder bei Ritualen wie der Osterspeisensegnung. Dort wird diese Sehnsucht für so manche ausreichend gestillt. „Viele wollen nicht das ganze katholische Paket, aber ein Segen ist dann doch mal etwas Schönes“, erklärt der Theologe. Faktum sei, dass sich die Kirche dem Trend, der von ihr wegführt, weder entziehen könne noch daran „schuld“ sei.
Dennoch kam bei den Priestertagen deutlich zutage, dass die Kirche gebraucht werde. „Ich habe einen vollen Terminkalender.“ – Diese Rückmeldung von Priestern war oft zu hören. Der Theologieprofessor bestätigte auch, dass die Kirche weiter wichtig sein werde, aber eben anders. Taufen, Hochzeiten und kirchliche Rituale seien so herausgehoben aus dem Alltag, dass sie mitunter über viele Jahre bedeutsam sind. Die dauerhafte Bindung an die Gemeinschaft sei hingegen weniger wichtig. „Gott ist nicht verschwunden. Für viele spielt er keine Rolle mehr und wird das auch nicht mehr, aber für andere bleibt er wichtig.“ Die Kirche habe viel zu bieten, vor allem durch ihre großen Erzählungen. Die größten seien jene über Gottes Begleitung der Menschen in guten und schlechten Zeiten, über die Hoffnung und das gute Ende, das der Glauben zusagt. Besonders betonte Loffeld das „Wieder-Heil-Werden“, gelebt in der Pflege oder in den Krankenhäusern, dort, wo das eigene Leben brüchig werde. Spätestens dort schlägt für viele die Stunde der Kirche.
Ein Plädoyer für das Priestertum hielt Prälat Leopold Städtler; er war Generalvikar von Diözesanbischof Johann Weber: „Ich würde heute jederzeit wieder Priester werden, das ist eine wunderbare Berufung und ein wunderbarer Beruf“, so der 97-jährige, „weil man mit vielen unterschiedlichen Menschen zu tun hat und für diese Gutes tun kann“. Über sein Leben und 70-jähriges Wirken als Priester ist ein Buch mit dem Titel „Mit den Menschen leben“ erschienen – ein Stück Zeit- und steirische Kirchengeschichte.