Aktiv warten
Haben Sie heute schon gewartet?
Gewartet, dass die Nacht endlich vorüber ist, weil Sie vielleicht nicht schlafen konnten.
Gewartet, bis der Kaffee fertig durchgelaufen ist.
Gewartet, dass der Gottesdienst anfängt.
Warten ist Teil unseres Lebens.
Wenn Sie die vergangene Woche einmal Revue passieren lassen, fallen Ihnen bestimmt einige Gelegenheiten ein, wo Sie warten mussten: an der Bushaltestelle, beim Arzt, in der Schlange vor der Kasse im Supermarkt…
Warten kann etwas Spannendes und Aufregendes sein:
Wann kommt denn endlich der ersehnte Brief? Wann wird mein Besuch vor der Tür stehen? Oder, was sich Kinder in diesen Tagen oft fragen: Wir oft muss ich noch schlafen, bis das Christkind kommt?
Dann gibt es aber auch das ängstliche Abwarten:
Wie wird denn die Untersuchung ausfallen? Wann bekomme ich den Befund? Wann meldet sich denn endlich meine Familie, dass sie gut zu Hause angekommen ist, es wird doch nichts passiert sein?
Warten fällt uns Menschen von Haus aus schwer. Wir sind ein Stück weit hilflos, uns sind die Hände gebunden. Wir sind abhängig von anderen Menschen, von äußeren Umständen.
Von einem Menschen, der seine Hilflosigkeit ganz besonders spüren musste, erzählt unser Predigttext: Johannes der Täufer. Da ist ein gottesfürchtiger Mann, ein Prophet, der von Gott berufen wird, um Menschen zur Umkehr zu rufen, um Jesus selber den Weg zu bahnen. Ein Mann, der auch unbequeme Wahrheiten an- und ausspricht. So prangert er z. B. auch den Lebensstil des Regierungschefs an und landet „zum Dank“ im Gefängnis.
Auf einmal ist die große Zeit des Wirkens vorbei. Gefängnismauern und Einsamkeit statt Menschenmengen und öffentliches Auftreten.
Gefängnis - das steht für Dunkelheit, Angst, Enge, Einsamkeit und Warten. Tage Stunden in denen der Zweifel langsam nach oben kriecht: Was soll das jetzt alles? Wo ist denn Gott? Ich habe ihm doch dienen wollen! Ist mein Weg falsch gewesen? Hat mich Gott vergessen?
Dunkelheit und Depression, Verzweiflung und Fragen.
Johannes kämpft so sehr mit sich und Gott, dass sein Glaube ins Wanken gerät und er bei Jesus nachfragen lässt: Jesus, bist Du es, der da kommen soll, oder sollen wir auf einen anderen warten? Dieser Johannes, der so viel mit Gott schon so viel hat erleben dürfen, gerät auf einmal so sehr ins Zweifeln und Grübeln.
Ich finde es sooo ermutigend und tröstlich, dass uns diese Geschichte in der Bibel überliefert ist. Wir dürfen zweifeln und Fragen stellen.
Jesus macht Johannes da überhaupt keinen Vorwurf. Er nimmt die Frage ernst und bezieht den Täufer sogar mit ein in die Antwort. Jesus sagt nicht nur: ‚Ja, klar, ich bin es, das weißt du doch!', sondern er fordert den Täufer heraus: ‚Jetzt überlege doch mal selber: Was hast du schon alles gesehen, bei dir und anderen?“ Johannes, erinnere dich an das, was du schon mit Gott erlebt hast, bei dir, bei anderen. Und lass dich ermutigen von dem, was andere über Gottes große Taten berichten.
Und auf einmal fällt ein helles Licht in die dunkle Zelle des Johannes. Die Umstände haben sich nicht verändert. Er bleibt ein Gefangener des Herodes. Aber ich denke, seine Er-Wartungen wurden geradegerückt. Er darf wissen: Ja, ich bin auf dem richtigen Weg, am richtigen Platz, Gott ist bei mir. Auch wenn ich gefangen bin in Dunkelheit, Hilflosigkeit und Warten.
Kommt uns die Situation von Johannes manchmal nicht bekannt vor?
- Auch wir sitzen mitunter im Dunkeln und fühlen uns gefangen und ausgeliefert an die Umstände. Eine Krankheit taucht plötzlich auf, ein lieber Mensch stirbt, der Arbeitsplatz geht verloren, eine Ehe zerbricht. Dunkelheit in unserem Leben. Situationen, die wir nur sehr bedingt beeinflussen können. Scheinbar hilfloses Warten.
- Und plötzlich kommen da die Zweifel, die Fragen, die Ängste auf. Wie soll es weitergehen? Wer hilft mir? Wo bist Du, Gott?
- In all diesem Schlamassel schafft Johannes dann einen wichtigen Schritt: Er bleibt nicht bei den Fragen und Zweifeln, bei sich selber stehen, sondern wendet sich damit an Gott. Jesus, rede Du mit mir! Erkläre Du mir die Situation! Und wenn nicht, dann lass mich wenigstens spüren, dass Du bei mir bist!
Johannes kann sich von seinem Gefängnis aus nicht selber direkt an Jesus wenden. Er benutzt Boten, Freunde, die sein Anliegen vor den Heiland bringen.
Und auch wir dürfen uns von Freunden, Geschwistern im Glauben helfen lassen. Dazu gibt es Gemeinde, dazu sind wir gemeinsam der ‚Leib Christi'.
- Und schließlich darf Johannes erleben: Jesus antwortet! Gott ist da! Er sieht meine Situation! Er weiß, wie es mir geht! Ich bin nicht alleine!
Und das gilt auch heute noch für uns: Gott antwortet!
Und selbst wenn sich an meiner Situation erst einmal nichts zu verändern scheint, möchte Gott uns zurufen: Schau dich doch um! Gott wirkt, in seiner Gemeinde, im Leben von Menschen! "Blinde sehen und Lahme gehen, Aussätzige werden rein und Taube hören, Tote stehen auf und Armen wird das Evangelium gepredigt."
Jetzt mag der eine oder die andere von Ihnen sagen: Na ja, ich habe noch keinen Blinden gesehen, der plötzlich sehen konnte und keinen Toten, der auf einmal wieder lebendig war?!
Trotzdem: Gott ist auch hier und heute, in unserer Zeit noch am Wirken. Menschen in schwierigsten Situation haben durch das Wort Gottes neue Kraft und Hoffnung erfahren. Und auch uns öffnet Gott immer wieder unsere blinden Augen, rührt unsere verhärteten Herzen an, macht geistlich Tote lebendig.
Wie warte ich?
Welche Er-Wartungen habe ich?
Für mein Leben? Für diese Advent- und Weihnachtszeit?
Warte ich auf IHN?
Habe ich die Erwartung, dass Er kommt? In mein Leben? In meine Not?
Oder warte ich nur passiv und frustriert, bis sich die Umstände endlich ändern?
Wir als Christen sollen "aktive Warter" sein.
Geduldig ausharren, dort, wo wir äußerlich nichts verändern können, aber innerlich voller gespannter, aktiver Erwartung: Ja, komm, Herr Jesus! Komm in meine Situation, in mein Leben! Komm mit deinem Reich, deiner Herrlichkeit! Amen.