Emmaus
Lieber Egon, du hast dir ganz bewusst für deinen Auferstehungsgottesdienst bei deiner Verabschiedung dieses Osterevangelium ausgesucht: Der Weg nach Emmaus.
Wir schauen heute auf deinen Lebensweg und deinen Weg als Priester und Pfarrer zurück und können jetzt besser erkennen, dass wir immer wieder im Laufe deines Lebens miteinander auf einem Glaubensweg unterwegs waren, der sich in der Emmauserzählung wiederfindet.
Ich habe dich vor über 40 Jahren kennengelernt. Du warst damals Domvikar und dann Jungscharkaplan und bist zusätzlich unser Jahrgangsseelsorger im Priester-seminar geworden. Du warst anders als die Universi-tätslehrer, die uns damals faszinierten und die, die uns Ordnung und Ernsthaftigkeit für den Priesterberuf beigebracht haben. Wir haben als Studenten gesagt: Du bist nicht nur Seelsorger sondern auch Leibsorger. Bei unseren Jahrgangstreffen mit dir ging es sehr lebensnah und menschlich zu. Du hast uns nicht mit schönen Worten und tiefen Gedanken abgespeist sondern bei dir gab es immer etwas zum Knabbern, eine Mehlspeise oder sonst etwas Nahrhaftes. Gastfreundschaft und wie man eine angenehme und ungezwungene Atmosphäre schafft, das konnten wir bei dir erleben und erlernen. Du warst einfach einer, der nahe war mit seiner Herzlichkeit und Kontakt-freudigkeit. Vor dir musste niemand zittern. So hast du eine Atmosphäre geschaffen, in der wie auf dem Weg nach Emmaus Fragen gestellt werden konnten, Traurigkeit miteinander geteilt wurde und Aussprachen in der Gruppe oder unter vier Augen ihren Platz hatten. Du warst einer, der mitgegangen ist auf Emmausweg, auf unserem Glaubensweg als Studenten.
Dann bist du Pfarrer geworden zuerst nördlich von Graz und ich ganz im Süden der Steiermark Kaplan. Wir haben uns nur noch selten gesehen, aber eine innere Nähe ist geblieben, als ich dann Jungscharseelsorger in deine Fußstapfen treten durfte. Das war immer wieder ein Thema, wenn wir uns begegnet sind.
Du warst schon viele Jahre hier in Christkönig als Pfarrer, als wir vor 15 Jahren Nachbarpfarrer wurden. Da durfte ich dich neu kennenlernen: Du hast dich ganz in Beschlag nehmen lassen von der Dynamik des Pfarr-lebens. Du warst in der Schule und im Kindergarten präsent, bei der Jungschar und den Senioren. Die MinistrantInnen waren dir ein besonderes Anliegen. In den Familienrunden warst du daheim und in anderen Gemeinschaften. Für dich war es immer wieder schmerzlich, wenn gute Mitarbeiter*innen weggezogen sind. Natürlich hast du auch Entscheidungen treffen müssen, die nicht immer alle verstanden haben. Aber du warst einer, der sensibel geblieben ist für die, die es schwer hatten und in ihrer Trauer oft nicht weiter wussten. Ein starkes Symbol dafür ist für mich dieser Torso, den dir eines Nachts ein Unbekannter vor die Pfarrhoftüre gelegt hat. Du hast ihn nicht weggelegt oder irgendwo am Dachboden verstaut sondern in deine Wohnung genommen und ihm einen Ehrenplatz gegeben. Du warst einer, der als Seelsorger mit seinen eigenen Fragen und Lasten, mit seinen Freuden und Leiden, den anderen nachgegangen ist und ihnen das Evangelium verkündet hast. Es war dir wichtig, sie dort abzuholen, wo sie allein nicht mehr weiter wussten. So wurde wieder ein Aspekt dieses Unterwegsseins im Glauben, der in der Emmausgeschichte grundgelegt ist sichtbar, in deinem Hinzukommen als Pfarrer zu Menschen in unterschiedlichsten Lebensituationen.
Vor 10 Jahren hast du die Verantwortung für diese Pfarre abgegeben und übergeben und bist den Weg des Seelsorgers weitergegangen. Du hast dich immer rufen lassen, wenn irgendwo eine Lücke im pastoralen Versorgungsnetz in Graz und Umgebung aufgegangen ist. Besonders in Feldkirchen hast du viel ausgeholfen.
Die letzten Jahre sind für dich ein Leidensweg geworden. Deine Schwester Anni mit ihrer Familie war – wie schon zuvor – für dich da und ist diese schwierige und steile Wegstrecke liebevoll und mit vollem Einsatz mitgegangen. Jetzt bist du uns unerwartet schnell, wie wir in der Sprache unseres christlichen Glaubens sagen, vorausgegangen. Wir hoffen, dass du beim auferstanden Christus bist, dass du wie die Emmaus-jünger in seiner Nähe bist, quasi am Tisch mit ihm sitzt und deine Augen und dein Herz aufgegangen sind für seine Gegenwart, wie damals den Jüngern in Emmaus.
Hier in der Pfarrkirche, wo du solange im Dienst warst, die du renoviert und umgestaltet hast, und die „deine“ Kirche geworden ist, die du bis zum Schluss immer wieder besucht hast, wird unser Blick genau zu diesem Lebensziel hingelenkt, zu Christus. Wer hereinkommt sieht das übergroße Kreuz und lässt sich vom leidenden Christus anschauen, der um Luft ringt. Wer aber dem Lichteinfall vorne im Altarraum folgt, der wird den Perspektivenwechsel vollziehen und auf das Fenster blicken, auf das Auferstehungsfenster. Da geht die Sonne auf, die Sonne der Auferstehung, unsere Sonne: Jesus Christus. Bei Ihm, an seinem Tisch, sehen wir uns wieder.
Danke, lieber Egon, für dein Mitgehen, dein Nachgehen und dein Vorausgehen auf dem Glaubensweg, auf dem Weg nach Emmaus. Amen!