Passt dieser Messias zu mir und meinem Leben?
Liebe Pfarrgemeinde, ich muss euch enttäuschen. Ich werde euch heute in der Predigt nicht wie gewohnt erklären können, was Jesus mit seinem radikalen Aufruf zur Nachfolge genau meint.
Vielmehr gestehe ich ein, dass ich mich alle drei Jahre genau vor diesem Evangelium fürchte. Was soll ich dazu sagen, wenn Jesus einfordert: Ebenso kann keiner von euch mein Jünger sein, wenn er nicht auf seinen ganzen Besitz verzichtet.( Lk 14,33) Jede kann diesen Satz verstehen. Aber was heißt das für uns? Welche Konsequenzen hat dieses Wort Jesu für uns? Vielleicht muss ich konsequenterweise das Lektionar zuschlagen und sagen – gehen wir heim. Das ist ja unerträglich…
Leider hat auch die Bibelrunde gestern am Abend nach intensivem Austausch nicht viel Erhellendes für eine Predigt zu dieser Stelle mit sich gebracht.
Aber zwei Texte will ich mit euch teilen, die mir in den letzten Tagen untergekommen sind und vielleicht irgendwie zu diesen provokanten Worten Jesu passen.
Valerie Schönian, eine junge atheistische Journalistin hat vor 4 Jahren einen katholischen Priester in Deutschland ein Jahr lang begleitet und versucht zu verstehen, was er da in seinem Beruf macht. Aus diesen Begegnungen ist zunächst ein Blog geworden und dann auch ein Buch. Und sie hat später Tipps gegeben, wie wir als gläubige Christ*innen mit Kirchenfernen ins Gespräch kommen sollten. Ihre Vorbemerkungen zu den Tipps:
Glauben Sie an Jesus Christus? Dann tun Sie etwas sehr Exotisches. So sehen das zumindest viele Atheisten. Wenn Sie mit denen über Ihren Glauben sprechen wollen, müssen Sie zuerst akzeptieren, dass die Sie verrückt finden. Zumindest wenn Sie wollen, dass man Ihnen zuhört.
Diese Vorbemerkung hat mich neugierig gemacht. Von den 8 Tipps, die Valerie Schönian gibt, hat mich der 4. Tipp besonders angesprochen. Dort heißt es:
Floskeln weglassen
Es klingt fast zu einfach: Sie müssen sich mit Ihrem Glauben auseinandersetzen, wenn Sie über ihn sprechen wollen. Finden Sie Ihre eigenen Worte; … Plappern Sie … nichts einfach nach. Erzählen Sie, warum Sie an Christus glauben, ohne ihn erfahren zu haben. Oder erklären Sie, warum Sie nicht an ihn glauben und trotzdem Teil der Kirche sind. … Nach Worten für den Glauben zu suchen ist anstrengend. Aber es geht nicht anders. Manchmal habe ich das Gefühl, einige suchen gar nicht danach – aus Angst, nichts zu finden.
Das sitzt!
Aber gerade in dieser Woche ist dann bei mir im Postkasten ein Brief gelegen, den eine ältere Person aus unserem Pfarrverband geschickt hatte. Und sie tut genau das, was Valerie Schönian einfordert. Mit über 80 Jahren hat sie nicht nachgelassen zu suchen und zu fragen, wie sie jetzt in ihrem letzten Lebensabschnitt nicht selbstzufrieden stehen bleibt – wie sie schreibt – sondern das Möglichste tun kann, um ihr Leben in Dankbarkeit zur Ehre Gottes zu gestalten.
Sie fragt sich immer noch, und immer wieder neu, wer dieser Jesus Christus für sie ist und wie sie mit seiner Botschaft ernst machen kann.
Auch wenn diese Person ihre Füße nicht mehr gebrauchen kann, ist so viel Lebenskraft und Energie in ihr, aufbauende Spiritualität, die mich herausfordert und dafür bin ich sehr dankbar.
Jesus ist nicht immer lieb. Manchmal ist er auch ziemlich schwierig. Aber gerade das kann gut tun, um ehrlich nach zu schauen: Passt dieser Messias zu mir und meinem Leben?