Eine Schule des Hinhörens
Einmal, während meiner Studienzeit, war ich zu einem Geburtstagsfest bei einer Freundin eingeladen. Das Fest hat schon begonnen und ich bin aus irgendeinem Grund zu spät gekommen. Das Fest war in einem alten Bauernhaus oben im ersten Stock. Da konnte ich natürlich mit meinem E-Rolli nicht hin. Aber ich wusste, dass auch mein WG-Mitbewohner bei diesem Fest ist und dass er mich rauftragen wird.
Ich komme also auf diesem Bauernhof an und höre schon aus einem offenem Fenster im ersten Stock lautes Lachen, Musik und Kindergeschrei. Ich stelle mich unter das Fenster und rufe: "Ecki, ich bin da." Es dauert nicht lange und er schaut aus dem Fenster und ruft runter: "Ich komme schon und hole dich." Die anderen Festgäste sind höchst erstaunt: "Wie hast du die Elfriede bloß gehört bei diesem Lärm?" Er zuckt mit der Schulter: "Ich kenne ja ihre Stimme und weiß, wenn sie was braucht."
Ich glaube, die Mamas unter uns kennen solche Situationen besser, als wir alle. Wenn das eigene Kind schreit, dann hört man es unter vielen anderen heraus. Und man erkennt auch am Klang der Stimme, wie ernst die Lage ist - ob es ein verzweifeltes oder ein fröhliches Schreien ist.
Genau dieses Kennen und Heraushören einer Stimme und dieser zu folgen spricht uns Jesus im heutigen Evangelium in einem anderen Bild zu:
"Meine Schafe hören auf meine Stimme;
ich kenne sie und sie folgen mir." (Johannes 10, 27)
Das müssen wir uns erst mal auf der Zunge zergehen lassen und in unser Herz eindringen lassen. Jesus spricht dir und mir zu: "Weil du zu mir gehörst kannst du meine Stimme hören." Es ist nicht nur etwas für ausgewählte Propheten und Profichristen. Nein, um in seinem Bild zu bleiben: Die ganze Herde kann die Stimme ihres guten Hirten hören und ihr folgen. Bei Schulgottesdiensten mache ich es immer so, dass die Kinder einen zentralen wichtigen Satz ganz laut ausrufen dürfen. Und nachdem ihr alle so jugendlich ausschaut, denke ich, dass wir das heute hier auch mal ausprobieren können. Rufen wir es ganz laut: Ich kann Gottes Stimme hören. :-)
So, nachdem wir das jetzt mal festgehalten haben, dass wir als Christen und Christinnen mit dieser Gabe beschenkt worden sind, die Stimme Gottes zu hören, stellt sich noch die Frage, ob wir auch wirklich so gut trainiert darin sind?
Vielleicht können wir uns da noch einiges von den Mamas abschauen, die ja wirklich sehr gut darin trainiert sind, die Stimme ihres Kindes zu hören. Warum kennen sie diese Stimme so genau?
- Mamas verbringen viel Zeit mit ihrem Kind und kennen es deshalb.
- Sie lieben ihr Kind und richten ihre Aufmerksamkeit darauf und freuen sich daran.
- Sie hören die Stimme ihres Kindes mitten im Alltag bei ganz gewöhnlichen Tätigkeiten. Bei Bedarf müssen sie auch eine Tätigkeit unterbrechen und etwas unvorhergesehenes tun, wenn die Stimme des Kindes erklingt.
- Sie haben die Stimme des Kindes auch schon in vielen einsamen Nächten gehört, wo es keine anderen Geräusche gibt, außer das Weinen des Kindes. Und sie haben wahrscheinlich auch schon oft ganz aufmerksam nur auf das Atmen des Kindes gelauscht.
Ich glaube das alles sind kleine Wegweiser in der Schule das Lauschens auf die Stimme Gottes mitten in unserem Alltag.
Ein wichtiges Kennzeichen der Stimme Gottes ist es jedenfalls, dass sie tief in unserem Herzen einen inneren Frieden und eine innere Freude hinterlässt und dass sie uns ermutigt, diesen Frieden und diese Freude zu verbreiten, auch wenn die Umstände schwierig sind. Davon haben wir in der heutigen Lesung gehört:
"Denn so hat uns der Herr aufgetragen:
Ich habe dich zum Licht für die Völker gemacht, bis an das Ende der Erde sollst du das Heil sein." (Apostelgeschichte 13,47)
Und obwohl sie verfolgt und vertrieben worden sind heißt es am Ende der Lesung:
"Und die Jünger waren voll Freude und erfüllt vom Heiligen Geist." (Apostelgeschichte 13, 52)