Die Maske fallen lassen
Lassen wir die Masken fallen! Heute ist zwar Faschingssonntag und wir tragen Masken. Allerdings solche, die uns schützen sollen und nicht solche, die uns dabei helfen, uns in etwas oder jemand anders zu verwandeln. Und wem ist heute nach Fasching zumute?
Die tragischen Ereignisse in der Ukraine, gegen die Präsident Putin Krieg führt, haben auch seine Maske fallen lassen. Selbstverständlich gibt es weltweite Bestürzung darüber, die meisten Staatschefs und Regierungschefinnen zeigen sich betroffen, stellen sich auf die Seite der Ukraine und drohen mit Sanktionen. Wie sich das alles weiter entwickeln wird, ist nicht absehbar, auch welche Auswirkungen dieser Krieg auf den Rest Europas haben wird. Jedenfalls haben viele natürlich sofort Splitter in den Augen anderer gesehen, übersehen dabei aber, dass sie selbst unter Umständen durch verschiedene Handlungen dazu beigetragen haben, dass es so weit kommen konnte.
Besonders berührt hat mich die Geste von Papst Franziskus am Freitag, der den russischen Botschafter im Vatikan aufgesucht hat – normalerweise muss es umgekehrt sein, doch unser Papst zeigte genügend Demut für diese Geste.
Und auf diese Demut kommt es an. Auch in unserem persönlichen Alltag, denn Splitter und Balken gibt es nicht nur in Kriegsgebieten. Ich kenne das auch von mir selbst, wie schnell ich dazu neige, andere auf Fehler aufmerksam zu machen oder mich zumindest heimlich darüber zu ärgern. Interessanterweise sind es oft Dinge, die mich an anderen stören, bei denen es auch bei mir noch Luft nach oben gibt. Auch für mich gilt, dass ich meine Maske fallen lassen sollte, ehrlich auf mein Leben zu schauen und zu überlegen, wo es ganz konkret Verbesserungsbedarf gibt. Nur wenn ich mir selber ein- und zugestehe, dass ich lange nicht perfekt bin, kann ich auch meine Mitmenschen auf Dinge aufmerksam machen, und das in einer liebevollen und demütigen Art und Weise. Diese Rückmeldekultur einzuüben, tut uns auch in der Kirche gut.
Wenn wir uns noch kurz der Lesung zuwenden, so bringt es der Weisheitslehrer Jesus Sirach auf den Punkt: wie wir denken, handeln und sprechen, müssen wir immer wieder überprüfen. Und zwar nicht nur beim Gegenüber, sondern in erster Linie bei uns selbst.
Hier passt gut eine Geschichte, die Sokrates zugeschrieben wird:
Ganz aufgeregt kam ein Mann zu einem Weisen gerannt: „Ich muss dir etwas erzählen. Dein Freund …“
Der Weise unterbrach ihn: „Halt!“ Der Mann war überrascht.
„Hast du das, was du mir erzählen willst, durch die drei Siebe gesiebt?“, fragte der Weise.
„Drei Siebe?“, wiederholte der Mann verwundert.
„Richtig, drei Siebe! Lass uns prüfen, ob das, was du mir erzählen willst, durch die drei Siebe passt. Das erste Sieb ist die Wahrheit.
Ist das wahr, was du mir erzählen willst?“
„Ich habe es selber erzählt bekommen und …“
„Na gut. Aber sicher hast du es mit dem zweiten Sieb geprüft. Das zweite Sieb ist das der Güte.
Wenn es nicht sicher wahr ist, was du mir erzählen möchtest, ist es wenigstens gut?“
Zögernd antwortete der Mann: „Nein, im Gegenteil …“
„Dann”, unterbrach ihn der Weise, „lass uns auch noch das dritte Sieb anwenden.
Ist es wichtig und notwendig, es mir zu erzählen, was dich so aufregt?“
„Wichtig ist es nicht und notwendig auch nicht unbedingt.“
„Also mein Freund“, lächelte der Weise, „wenn das, was du mir erzählen willst, weder wahr noch gut noch notwendig ist, so lass es lieber sein und belaste dich und mich nicht damit.“
Wenden wir diese drei Siebe in der nächsten Woche an und lassen wir uns überraschen, welches Gesicht dann bei uns und bei unserem Mitmenschen zum Vorschein kommt – egal ob mit Maske oder ohne. Amen.