Ist die Wiederkunft Jesu wie Weihnachten?
Advent, Advent ein Lichtlein brennt ... Das Bild des „vor der Tür Stehens“ passt gut für den 4. Adventsonntag. Einerseits wissen wir, dass Weihnachten kommt. Andererseits ist die Tür noch geschlossen und undurchsichtig. Die Bibeltexte in der Adventzeit sind mehrdeutig. Erstens sie sind ein Rückblick auf das konkrete Ereignis der Geburt Jesu. Zweitens blicken die Texte nach vorne, auf unser christliches Fest, als Feier der Geburt Jesu. Drittens blicken sie weit darüber hinaus.
Wie und warum tun sie das? Im heutigen Schlussgebet heißt es: „Lass uns das Kommen deines Sohnes in Freude erwarten ...“ Welches „Kommen“? Die Geburt? Schon lange her!
Das Fest? Kommt in fünf Tagen! Eine Wiederkunft Christi?
Wenn wir dann Weihnachten gefeiert haben, ist das Fest vorbei. Ist dann alles, was dazu gesagt werden kann, gesagt? Wird noch etwas offen sein? - Und ob!
Das zeigen die biblischen Texte, zum Beispiel die Verse, die wir soeben aus dem Buch Micha gehört haben.
Micha spricht in eine Zeit des Elends und der Verbannung. Er sagt: „Darum gibt er sie preis, bis zu der Zeit, da die Gebärende geboren hat.“ Der Zustand des Elends dauert an bis das Kind - der neue Herrscher - geboren ist. Er vergleicht die Zeit des Elends mit einer schmerzhaften Geburt, die irgendwann mit der Freude über ein neugeborenes Kind endet. Das Tröstliche ist, so schwer die Zeit des Elends und der Verbannung sein mag, es wird gut enden.
Am Ende rastet der Text von Micha aus. Die Geburt eines Herrschers, der die Angelegenheit mit den Flüchtlingen und Exilierten regelt, kann man sich ja noch vorstellen. Dann geht es aber um Sicherheit und Friede bis an die Grenzen der Erde - also: global. Hatte der damals überhaupt eine Ahnung, wie groß die Welt ist?
Was wird der Prophet sagen, wenn wir ihm vorwerfen, dass er größenwahn-sinnig ist? Bis an die Grenzen der Erde? – „Aber ja doch“ würde er sagen.
Der Herrscher, der in Gottes Namen Frieden bringen wird. – „Er steht vor der Tür“, würde er sagen. Wir sehen ihn noch nicht, aber er kommt so gewiss wie Weihnachten nach dem Advent.
Wir lernen: Wie in fünf Tagen Weihnachten sein wird, so kommt nach der Katastrophe die Rettung. Angesichts von Pandemie, Klimawandel und Umweltzerstörung können und sollen wir aus dieser Botschaft Hoffnung schöpfen, auch wenn wir manchmal das Gefühl haben es ist schon fünf Minuten NACH zwölf.
Ich möchte Papst Franziskus zu Wort kommen lassen und zitiere aus dem 6. Kapitel zum Thema „Freude und Frieden“ seiner Enzyklika Laudato si:
Die christliche Spiritualität schlägt ein anderes Verständnis von Lebensqualität vor und ermutigt zu einem prophetischen und kontemplativen Lebensstil, der fähig ist, sich zutiefst zu freuen, ohne auf Konsum versessen zu sein. Es ist wichtig, eine alte Lehre anzunehmen, die in verschiedenen religiösen Traditionen und auch in der Bibel vorhanden ist. Es handelt sich um die Überzeugung, dass „weniger mehr ist“. Die ständige Anhäufung von Möglichkeiten zum Konsum lenkt das Herz ab und verhindert, jedes Ding und jeden Moment zu würdigen. (...) Die christliche Spiritualität regt zu einem Wachstum mit Mäßigkeit an und zu einer Fähigkeit, mit dem Wenigen froh zu sein. Es ist eine Rückkehr zu der Einfachheit, die uns erlaubt innezuhalten, um das Kleine zu würdigen, dankbar zu sein für die Möglichkeiten, die das Leben bietet, ohne uns an das zu hängen, was wir haben, noch über das zu grämen, was wir nicht haben. Das setzt voraus, die Dynamik der Herrschaft und der bloßen Anhäufung von Vergnügungen zu meiden.[1]
Geburten besonderer Menschen aber auch die richtig große Lösung der Weltprobleme sind unwahrscheinlich. Übertriebener Trost kann leicht als zynisch verstanden werden. Es lohnt das ganze Buch Micha zu lesen. Man muss, wie der Prophet Micha, bei Gelegenheit darauf hinweisen, was alles schiefläuft und dass es nicht so weitergehen kann.
Nur Menschen, die Weihnachten feiern können, kann man am vierten Adventsonntag erzählen, dass ein großes Fest vor der Tür steht.
Weihnachten steht vor der Tür und – ja – wir brauchen tatsächlich Frieden und Sicherheit „bis an die Enden der Erde“, wie der Prophet es sagt, und Gerechtigkeit in der Welt und in der Kirche.
Irgendwer muss hier noch einen Plan und den Überblick haben. Irgendwer muss wissen, dass nach dem Advent, unter Einbeziehung aller Unsicherheiten, Weihnachten kommt. Das wollen uns die adventlichen Texte sagen. Amen.
[1] Enzyklika Laudato si Seite 196