Orgel, wer bist du?
Ich freue mich sehr, dass ich heute am Tag der Orgelweihe die Predigt halten darf. Ausgehend vom heutigen Evangelium, wo Pilatus Jesus die Frage stellt ob er ein König sei, möchte ich heute die Königin der Instrumente fragen: „Wer bist Du?“. Eigentlich stellt man diese Frage Menschen die man nicht kennt. Aber, ja, Sie haben richtig gehört, ich möchte mit unserer Orgel ein Interview führen.
Orgel wer bist Du, wie alt bist Du und warum stehst Du hier in unserer Kirche?
Orgel: Ich bin noch eine junge Dame. Im kommenden Jahr werde ich 50 Jahre jung. 1972 wurde ich vom Linzer Orgelbauer Bruno Riedl erbaut und zwar für die Kirche der Schwestern vom Deutschen Ritterorden in Friesach / Kärnten erbaut. Dass ich hier stehe ist dem Denkmalamt zu verdanken. Ich passte nach Ansicht der Denkmalschützer nicht in diese Kirche und so fand ich noch im selben Jahr hier in Christkönig meine neue Heimat.
Haben die Gottesdienstbesucher:innen in den rund 13 Jahren davor so schlecht und falsch gesungen, dass man dich hierhergeholt hat?
Orgel: Eindeutig Nein. Sie haben damals schon sehr gut, laut, fast immer richtig und mit Begeisterung gesungen und das tun sie auch heute noch. Ich sehe mich als eine Vielstimmige Begleiterin für diesen Gesang, aber auch als Verkünderin.
Der Pfarrer predigt eh so selten und dann noch ein:e Prediger:in? Haben wir nicht schon genug davon?
Orgel: Verkündigung geschieht nicht nur durch Worte, sondern auch durch Musik. Für manche ist die Musik ein Zugang zum Christsein. Weil Musik eben viel mehr ist als Worte. Das hat man mit der Musiktherapie schon unter Beweis gestellt, dass Musik verletzte Seelen auch heilen kann. Aber ich bin nicht nur die Stimme eines Predigers / einer Predigerin, sondern eher die Stimme des betenden Menschen. Ich weiß: Für viele Menschen ist Orgelmusik am schönsten, wenn sie richtig „braust“ – Orgelmusik mag immer wieder auch die Stimme dieses brausenden Jubels sein, wenn alle Register gezogen werden.
Die Stimme des Beters, der Beterin – ist eher leise, ein sehr intimes Gespräch mit Gott, wo die leisen Zwischentöne zwischen Freude und Klage, Verzweiflung
und Dankbarkeit, Trauer und Sehnsucht, Zorn und Hoffnung, Unaussprechbares gedacht und ausgesagt werden wollen – und doch nicht immer die Worte finden! Es gibt Dinge, die kann ich nicht mit Worten sagen – manchmal aber mit Orgelmusik.
Darf man überhaupt sagen, dass es Dinge im Glauben gibt, die nicht in Worte zu fassen sind?
Orgel: Nein, wir haben zum Glück wiederentdeckt, dass Glaube mit allen Sinnen verbunden ist. Paulus hat etwa im Zusammenhang mit dem Beten davon gesprochen, dass es einem beim Beten oft die Sprache verschlägt: „Wir wissen nicht, was wir beten sollen, wie sich's gebührt, sondern der Geist selbst tritt für uns ein mit unaussprechlichem Seufzen.“. (Römer 8,26)
Warum sollte sich der Heilige Geist bei diesem Aussprechen des Unaussprechbaren nicht einer Orgel, der Organist:innen und eines Komponist:innen bedienen – mit nicht eben unaussprechlichen Klängen? Mit Johannes dem Täufer möchte ich sagen: „Ich bin nicht Christus. – Meine Musik erlöst nicht, doch sie löst und befreit vieles!“
Bist Du dann, neudeutsch gesagt, ein „Kommunikationsmittel“ zwischen Gott und uns Menschen?
Orgel: Ich darf in unseren Gottesdiensten eine ganz wichtige Aufgabe übernehmen. Gottesdienst geschieht ja immer in zwei Richtungen: Gott dient uns durch sein Wort und Sakrament. Und wir dienen, wenden uns an ihn mit Gebeten, Worten und Liedern. Es geschieht so eine Kommunikation des Evangeliums und ich darf dabei ein ganz wichtiges Kommunikationsmittel für das Unaussprechliche zwischen den Menschen und Gott sein!
Abschließend möchte ich noch sagen, – und da spanne ich jetzt den Bogen zum heutigen Evangelium –, dass ich nicht gerne als Königin angesprochen werden möchte. Denn ich bin nur ein Werkzeug Gottes, damit die Menschen den Weg zu dem König finden der von sich selbst sagt: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben.“ – Mein König Jesus Christus.
Liebe Orgel, ich danke dir für dieses Gespräch und wünsche dir immer wieder Organist:innen die jene Klänge hörbar in Worte wandeln, die für uns Menschen unaussprechlich sind.