Ein Himmelsschlüssel
Die Corona-Pandemie hat manche versteckte Missstände in unserer Gesellschaft aufgedeckt und plötzlich ganz neue Schlüsselkräfte oder sogar „Helden des Alltags“ hervorgebracht. Es zeigte sich im Frühling: Manager sind entbehrlicher als Verkäuferinnen, Krankenschwestern oder … Erntehelferinnen und –helfer. Fieberhaft wurde nach Menschen gesucht, die in der Landwirtschaft mitarbeiten können, um die Versorgung mit Gemüse aus Österreich aufrecht zu erhalten. Doch rasch folgte die Ernüchterung: Unkraut jäten ist kein Anfängerjob und österreichische Quereinsteiger waren bei den Landwirten aufgrund ihrer Langsamkeit nicht so gefragt wie Saisonarbeiter aus dem Ausland, die die Handgriffe „drauf“ haben. Es wurde gar berichtet, dass erntereifer Salat in OÖ eingepflügt wurde, weil zu wenig qualifizierte Arbeiter zur Stelle waren.
Dass wir nicht isoliert in unserem kleinen Österreich leben, sondern als Menschheitsfamilie auf dem Planeten Erde, zeigt uns Corona ebenfalls. Rasend schnell hat die Krankheit sich um den Globus ausgebreitet. Ich halte nun wieder mehr Kontakt mit Freundinnen und Freunden auf anderen Kontinenten, um zu wissen, wie es ihnen vor Ort geht. Tina, die in Costa Rica lebt, hat mir erzählt, dass die Pandemie die Ärmsten der Bevölkerung am härtesten trifft: Viele Menschen verdienen sich weltweit auch im Jahr 2020 als Tagelöhner. Ohne soziale Absicherung leben sie von einem Tag auf den anderen. Gibt es morgens Arbeit, gibt es abends Essen. Sonst nicht. Während eines Lockdowns haben unzählige Menschen mehr Angst vor dem Hunger als vor dem Virus.
Das sind einige Gründe, warum mir das Evangelium des heutigen Sonntags weit mehr zu Herzen geht, als die Jahre davor. Es ist eine Lebenswirklichkeit für mich geworden und nicht nur Bildsprache, die es auf eine Metaebene zu übertragen gilt.
Und trotzdem lohnt es sich, über das Gleichnis weiter nachzudenken: Es ist nicht nur eine Erzählung über Neid unter Menschen auf Erden. Dafür gäbe es genug aktuelle Beispiele. Es ist eigentlich ein „Himmelschlüssel“. Jesus lässt uns durch ein Gleichnis hindurch in den Himmel schauen und lehrt uns, dass im Reich Gottes ein anderes Rechenschema gilt, als es Banken und Konzerne anwenden. Es geht nicht um unbegrenztes Wachstum und die „Rechte der Fleißigen“, wie es uns so manche politische Partei zu erklären versucht. Es geht um eine tiefere Gerechtigkeit und Zufriedenheit, denn Gott gibt das, was (ge-)recht ist, um ein erfülltes Leben zu leben. Im Gleichnis entspricht das dem Tageslohn von einem Denar, was genug bedeutet, um den nächsten Tag erfolgreich und satt zu meistern. Diesen Lohn erhalten – gerechterweise – die Ersten und die Letzten. Für uns bedeutet das: Dem, der sich von Gott anwerben lässt, wann auch immer, gibt er Sinn und Ziel für sein Leben. Das gilt, so hoffe ich, „wie im Himmel, so auf Erden“.
Weil wir Menschen – gerade in der heutigen Zeit – dazu tendieren, Leben in Fülle mit einer Flut an materiellen Dingen zu verwechseln, erlauben Sie mir bitte noch, kurz über mein Kernthema, die Schöpfungsverantwortung zu sprechen:
Wenn wir über die Klimafrage sprechen, müssen wir gleichzeitig soziale Fragen mitdenken. Unser westlicher Lebensstil hat viel mit der Ausbeutung von Menschen auf anderen Kontinenten zu tun. Um wieder mit den Worten des Evangeliums zu sprechen: Wir bezahlen oft weniger als den Tageslohn, der für ein menschenwürdiges Leben genügt und wir betreiben andernorts Raubbau an der Natur. Papst Franziskus benennt all dies in seiner Umwelt- und Sozialenzyklika „Laudato si‘“, die vor 5 Jahren veröffentlicht wurde.
Ich bedanke mich hiermit bei allen, die heute das Auto stehen haben lassen und in die Pedale getreten haben, um hier her zu kommen. Ob der dramatischen Prognosen für das globale Klima wirken Initiativen wie Radeln in die Kirche oder ein ökologisch organisiertes Pfarrfest recht klein. Und wenn wir uns umschauen und entdecken, dass sich so viele andere noch nicht für die Schöpfungsverantwortung haben „anwerben lassen“, fühlen wir uns vermutlich ähnlich ungerecht behandelt wie die Arbeiter, die seit dem Morgen auf dem Weinberg geschuftet haben.
Meine eigene Erfahrung ist ähnlich der Erfahrung der vermutlich bekanntesten Klimaaktivistin der Welt, Greta Thunberg: Es lohnt sich immer, gegen die Resignation anzukämpfen und etwas zu tun. So kommen wir raus aus der Passivität und hinein in die Selbstwirksamkeit! Als Christinnen und Christen sind wir aufgefordert, Beispiel zu geben, auch in Sachen „Schöpfungsverantwortung“. Und unser Bonus ist die Verheißung, die für das Reich Gottes gilt, dass aus einem kleinen Samenkorn ein mächtiger Baum wachsen kann. Wichtig dabei ist unsere Überzeugung für die Sache und eine positive Ausstrahlung. So können wir noch mehr Arbeiter für die Schöpfung anwerben.
Und übrigens: So klein sind die Effekte, die wir durch Umstellung unserer Lebensgewohnheiten erzielen können, gar nicht! Auf autofasten.at finden Sie einen Rechner, der CO2-Ersparnis und erspartes Geld durch Radeln ermittelt! Probieren Sie ihn aus. Sie werden staunen. Für unser Klima und eine lebenswerte Zukunft gilt: Jeder noch so kleine Schritt – oder besonders heute: Jeder Tritt, nämlich in die Pedale, zählt! Amen.