Vorschnelle Urteile
Wenn ich mit meiner Frau über Farbtöne spreche, kann es sein, dass der Gegenstand, den wir beide beschreiben, von uns sehr unterschiedlich wahrgenommen wird. Meine Frau sieht den Gegenstand in einem blassen Blau und ich in einem Grau. Was stimmt nun?
Vielleicht geht es Ihnen auch manchmal so ähnlich. Unser menschliches Denken ist doch immer sehr schnell in einem Schwarz-Weiß-Schema. Oder versetzen Sie sich in das klassische Schema von Hollywood-Filmen. Da gibt es die Guten und Schönen und auf der anderen Seite die wirklich Bösen, die auch dementsprechend schrecklich dargestellt werden. Wie sehr möchten wir immer klar wissen was gut und was schlecht ist, wie gerne möchten wir klar trennen können zwischen den Guten und den Bösen. Wie schnell ordnen wir in diesen Kategorien ein um Klarheit zu haben, um Richter sein zu können, um alle Menschen und Dinge genau einordnen zu können.
Vor allem Sekten nutzen diese Selektion und behaupten die volle und richtige Wahrheit zu haben. Alles was ihrer Wahrheit widerspricht wird als böse, schlecht und unwahr verurteilt. Menschen in einer Krisensituation, die Halt suchen, die klare Antworten wollen, fallen darauf herein, weil sie glauben, dass sie dort den ersehnten Halt finden.
Sind die Linien von Gut und Böse, von Licht und Dunkel wirklich so klar auszumachen? Unsere Welt können wir nicht so einfach in Schwarz-Weiß einteilen, da gibt es sehr viele Grautöne dazwischen. Genau diese Grautöne gilt es einmal anzunehmen und zu akzeptieren.
Am vergangenen Sonntag haben wir das Gleichnis vom Sämann gehört, dessen Samen auf unterschiedlichen Boden fällt. Heute haben wir wieder ein landwirtschaftliches Gleichnis gehört, bei dem es um die Unterscheidung von guter und schlechter Frucht geht. Soll das Unkraut, das dem guten Getreide zum Verwechseln ähnlich sieht, ausgerissen werden? Der Besitzer schlägt jedoch vor, beides wachsen zu lassen und erst nach der Ernte diese Trennung vorzunehmen
Legen wir das Gleichnis auf uns um. Der schlechte Samen wie z.B. Geiz, Neid oder Habsucht fällt mitten in die Menschen hinein. Dieser schlechte Samen bewirkt, dass all das Gute das in uns allen steckt, auch vom Bösen durchwachsen wird. Beides Weizen und Unkraut, Gut und Böse stehen nebeneinander und stecken in uns allen.
Der Evangelist schenkt uns diese Jesusworte als Vergleich für das Himmelreich. Er zeigt auf, dass Gott nicht gleich bei jedem Fehler eingreift, sondern dass die Trennung von Gut und Böse erst am Schluss erfolgt. Im Lesungstext aus dem Buch der Weisheit hören wir „Weil du über Stärke verfügst, richtest du in Milde und behandelst uns mit großer Schonung; und hast deinen Söhnen und Töchtern die Hoffnung geschenkt, dass du den Sündern die Umkehr gewährst.“ (Weish 12,18a; 19b)
Sowohl dieser Text als auch die Worte Jesu im Gleichnis zeigen uns, dass Gott geduldig ist. Wohl wissend bzw. vertrauend, dass in jeder und jedem von uns das Gute steckt und auch fruchtbringend ist. Gott gibt uns die Chance dem Guten in uns immer wieder neu Raum zu geben.
Setzen wir das Gleichnis in unser alltägliches Leben um. Kümmern wir uns nicht darum immer das Schlechte zu sehen oder danach zu suchen. Überlassen wir „das Unkraut“ getrost Gott. Er schenkt uns immer wieder neu die Möglichkeit umzukehren. Konzentrieren wir uns auf das Gute in uns und in den Anderen, auf das es reiche Frucht bringt und wir nicht vorschnell andere Menschen in eine Schublade stecken oder vorschnell über sie urteilen. Dieses Gleichnis soll uns immer wieder zur Geduld ermutigen. Vor allem dann wenn nicht alles gleich wie vermutet oder geplant verläuft. Amen.