bibelfest oder bibelbewegt?
Reisen Sie gerne? Ich hoffe, dass der Fall ist, denn zumindest gedanklich möchte ich Sie heute mit auf eine Reise nehmen. Zunächst begeben wir uns nach Sebulon und Naftali. Kein Reisebüro wird Ihnen empfehlen, dort Urlaub zu machen – wer möchte schon nach Nordgaliläa, in die Nähe von Syrien?
Auch in der Lesung aus dem Buch Jesaja kommt dieses Gebiet nicht gut weg: dort leben Menschen, die nicht an JHWH glauben; im 8. Jahrhundert v. Chr. wurde es von den Assyrern erobert. Dort lebt das Volk, das in der Finsternis ging. Mitten in diese Hoffnungslosigkeit hinein strahlt von Gott her ein helles Licht auf, das dem Todesschatten seine Macht nimmt. Gottes Heilstaten werden also allen Menschen zuteil. Auch wenn die Lage aussichtslos scheint – wie am Tag von Midian, als Gideon mit nur 300 Mann mit Gottes Hilfe ein riesiges Heer geschlagen hat – ist Gott da und befreit sein Volk.
Diese Verheißung Gottes und sein Versprechen, unsere Wege mitzugehen, gelten auch für die Menschen, die heute in Todesschatten sitzen: in Syrien, Libyen, Venezuela, Brasilien, Pakistan, im Südsudan; es gäbe noch viele weitere Länder in dieser Aufzählung. Und meine Sehnsucht, daran glauben zu können, dass diesen Menschen ein Licht aufstrahlt, ist groß. Doch werden wir von der Wirklichkeit nicht eines Besseren belehrt? Wie sehr können wir uns also auf das Wort Gottes verlassen? Und was sind wir bereit, zu verlassen? Die Jünger, die Jesus beruft, lassen ihren Beruf und sogar ihre Familie hinter sich. Auf sein Wort hin wagen sie sich in ein neues Leben. Gottes Wort verändert ihr Leben von Grund auf.
Papst Franziskus hat den heutigen 3. Sonntag im Jahreskreis zum „Sonntag des Wortes Gottes“ erklärt. Er schreibt: „Als Christ/innen sind wir ein Volk, das in der Geschichte unterwegs ist, gestärkt durch die Gegenwart des Herrn in unserer Mitte, der zu uns spricht und nährt. Der der Bibel gewidmete Tag soll nicht „einmal im Jahr“, sondern einmal für das ganze Jahr stattfinden.“
Wie kann es gelingen, dass das Wort Gottes eine Strahlkraft in meinem Leben entfaltet? Die Texte sind alt, manche sind uns sehr fremd und haben auf den ersten Blick nichts mit meinem Leben zu tun. Ich denke, dass es mit der Bibel wie mit einer Beziehung ist. Es reicht nicht, sich zu verlieben. Eine Beziehung muss gepflegt werden, es braucht Vertrauen, Geduld und immer wieder nachfragen, damit man einander versteht. Und eine Beziehung gelingt natürlich nie einem oder einer allein. Die Beschäftigung und Auseinandersetzung mit dem Wort Gottes in Gemeinschaft kann uns eine Hilfe sein, ihm näher zu kommen und zum Grund meines Lebens zu machen. Deshalb hören wir in jedem Gottesdienst Texte aus der Bibel. Eine besondere Form ist die Wortgottesfeier, wo wir Christus im Wort empfangen und ganz nahe kommen. In der monatlichen Bibelrunde oder beim Frauenfrühstück gibt es die Möglichkeit zum Austausch oder beim Bibelkreis in der evangelischen Kirche. Die Bibel birgt auch einen großen Schatz an Gebeten, besonders im Buch der Psalmen.
Christ/innen hießen nach dem Tod Jesu „die Menschen vom Weg“. Auf diesem Weg sind wir immer noch, jede/r von uns in seiner eigenen Geschwindigkeit und Intensität.
Sehr schön drückt das für mich Paul Weismantel mit seinem Text „bibelbewegt“ aus:
bibelbewegt
Manche sind bibelfest,
weil sie genau wissen, wo was
steht im Buch der Bücher.
Andere sind bibelbewegt,
weil sie sich von den Texten
locken und fordern lassen.
Wieder andere sind bibeltreu,
weil sie dem Wort trauen und
sich von ihm trösten lassen.
Bibel-Orientierte verwurzeln
ihr Leben in Gottes Wort
und finden darin festen Halt.
Bibelbegeisterte erden
Weisheit und Weisungen
der Heiligen Schrift in ihrem Alltag.
Mit der Bibel Betende
hören auf ihre Botschaft und
suchen nach Antworten auf ihre Fragen.
Vielleicht finden Sie sich irgendwo in diesem Text wieder oder er kann uns animieren, Gott in seinem Wort näherzukommen. Lassen wir uns ein auf diese Entdeckungsreise, lassen wir uns berühren von Gottes Wort, lassen wir uns ermutigen, unsere Stimme zu erheben für jene Menschen, die keiner hört, lassen wir uns herausfordern, das Evangelium zu leben. Damit das nicht in geistlichem Stress ausartet, gebe ich Ihnen ein Wort von Frere Roger mit, der meinte: „Lebe das, was du vom Evangelium verstanden hast. Und wenn es noch so wenig ist. Aber lebe es!“ Amen.
Elisabeth Fritzl